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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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Lukretia: Keuschheit, eheliche Treue, politischer Umsturz<br />

Bei den frühen Versionen des 16.<br />

und 17. Jahrhunderts ist dies allerdings<br />

noch nicht der Fall. Sie akzentuieren<br />

immer noch den intimen Charakter der<br />

Szene und erweitern sie dramatisierend<br />

um die Familienmitglieder, ohne den<br />

Racheschwur in den Mittelpunkt zu stel-<br />

len.<br />

Abb. 38<br />

Tizian 79 (1477-1576) hat in seinem Wiener Bild (um 1515) die Szene auf<br />

Lukretia und ihren Ehemann Collatinus verkürzt und durch diese Ausschnitthaftig-<br />

keit in ganz ungewöhnlicher Weise verdichtet [Abb. 39]: Lukretia blickt, halbfigurig<br />

und frontal gegeben, unbestimmt nach links oben und hält den Dolch bereits ent-<br />

schlossen in ihrer Rechten. Collatinus ist erst auf den zweiten Blick zu erkennen:<br />

Sein Gesicht erscheint hinter Lukretias rechter Schulter; auch umfasst er ihren lin-<br />

ken Arm und scheint seine Frau vom Selbstmord abhalten zu wollen. Ungleich<br />

dramatischer ist die Szene bei Giovanni Sodoma 80 (1477-1549) [Abb. 40]:<br />

Abb. 39 Abb. 40 Abb. 41 Abb. 42<br />

Collatinus versucht zu spät, Lukretia am Stich zu hindern, während ihr Vater Lukre-<br />

tius sie, ihren Fall voraussehend, bereits stützt. <strong>Die</strong> völlige Nacktheit Lukretias be-<br />

tont ihre Schutzlosigkeit und Stigmatisierung durch die Vergewaltigung.<br />

Das durch optisches Heranrücken die Intimität der Familie evozierende<br />

Brust- oder Kniestück 81 blieb lange das vorherrschende Format für das Thema.<br />

Allenfalls die Lukretia [Abb. 41] des Francesco Rustici 82 (1592-1626), <strong>als</strong> Pendant<br />

einer Sophonisbe 83 für die Ausstattung der Florentiner Villa Poggio Imperiale der<br />

Maria Magdalena von Österreich konzipiert, nimmt bereits andeutend den Rache-<br />

79 Katalog 400.<br />

80 Katalog 375.<br />

81 Vgl. Katalog 308, 311, 312, 314, 317, 321, 325, 326, 327, 328, 329 (Brustbilder oder halbfigurige Gemälde<br />

von Reni). Auch Gandolfi (141), Guercino (168), Carneo (58) und Cifrondi (66) haben für ihre Lukretia-<br />

Gemälde das halbfigurige Format gewählt.<br />

82 Katalog 360.<br />

83 Vgl. unten, S. 247f.<br />

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