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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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II Sterbebildtypen und Todesdarstellung<br />

Illustrationen zum Selbstmord Sophonisbes oder Lukretias in Boccaccios<br />

Sammlung 46 zeigen ebenso wie der ›Verwandlungstod‹ Daphnes oder Thisbes in<br />

illuminierten Handschriften 47 oder mit Holzschnitten versehenen Ausgaben 48 die<br />

künstlerischen Möglichkeiten, mit denen Künstler der beginnenden Renaissance<br />

Sterben und Tod ins Bild setzten. Es fällt auf, dass die künstlerischen Interpretatio-<br />

nen bei mythologischen Themen (Metamorphosen) und historischen Exempeln<br />

durchgängig Formen verfrühten oder freiwilligen Todes darstellten: <strong>Die</strong> Sterbenden<br />

sind nie von Schmerz und Leid gezeichnet, sondern stets in der Integrität ihres<br />

blühenden Lebens abgebildet. <strong>Die</strong> Renaissancekünstler griffen auf Verfahren zu-<br />

rück, die sich beim ›zurückhaltenden‹ Typus der Märtyrerbilder 49 bewährt hatten,<br />

und bildeten den physischen Schmerz nicht ab. Stärke und Überlegenheit der<br />

›Helden‹ bewähren sich bis zum letzten Moment; Leid und Schmerzen werden in<br />

Analogie zu der christlichen Heilsgewissheit der Märtyrer ›stoisch‹ verachtet.<br />

Allmählich trat der Bildbereich des Profanen gleichberechtigt neben den Be-<br />

reich des Sakralen: die Palette der bildwürdigen Todesdarstellungen erweiterte<br />

und diversifizierte sich dadurch entscheidend. Dazu kam, dass sich die Darstel-<br />

lungsweisen kirchlicher, höfischer und städtischer Auftragsarbeiten immer mehr<br />

annäherten: Ein heiliger Sebastian unterscheidet sich auf den ersten Blick kaum<br />

von einem Narcissus; in beiden Fällen setzten die Künstler in ihren Körperstudien<br />

genaue anatomische Beobachtungen um. Erst Details wie Pfeile oder ein das<br />

Spiegelbild reflektierender See vereindeutigten die vorgestellte Person für den Be-<br />

trachter. Für die Künstler stand, unabhängig von den religiösen, mythologischen,<br />

historischen oder allegorischen Inhalten 50 , die beabsichtigte Wirkung im Vorder-<br />

grund.<br />

Besonders augenfällig ist dies in der nachtridentinischen Kunst, deren ge-<br />

genreformatorische Intention eine neue Blüte der Märtyrerbilder mit sich brachte.<br />

Ihre Wirkungsästhetik setzte auf die minutiöse Schilderung des Leidens und Ster-<br />

46<br />

Hoepfl, Simon (Hrsg.): Boccacios Buch der berühmten Frauen, mit 79 Holzschnitten der Ausgabe von Joh.<br />

Zainer, Ulm, München 1924.<br />

47<br />

Zum Beispiel Handschrift aus dem 14. Jahrhundert in Paris, Bibliothèque de l'Arsenal, 5069.<br />

48<br />

Zum Beispiel Ausgabe Brügge von 1484 mit Holzschnitten von Mansion.<br />

49<br />

Vgl. S. 41f.<br />

50<br />

So schreibt 1584 Giovanni Paolo Lomazzo in seinem Trattato dell'arte delle pittura, scoltura et architettura:<br />

»Avendo il pittore a rappresentare le istorie di tutte le parti del mondo e di tutte le età, chi non vede ch'egli ha<br />

da procedere con infinito riguardo, per rappresentarle decentemente, con le circonstanze che gli si convengono<br />

rispetto alle maniere e costumi di quel paese e di quel età, in cui successe l'istoria che rappresenta?« (Zitiert<br />

nach Gaehtgens, Th. W. / Fleckner, U. [Hrsg.]: Historienmalerei, Berlin 1996, S. 133)<br />

43

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