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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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IV Liebe, Patriotismus und Selbstbestimmung: Sophonisbe <strong>als</strong> <strong>Tugendheldin</strong><br />

– mit einem Trinkgefäß in der Hand. 138 <strong>Die</strong> auf Fernwirkung kalkulierte Serie<br />

ganzfiguriger ›starker Frauen‹<br />

setzt den Giftbecher, dem Attribut<br />

einer Heiligen vergleichbar, <strong>als</strong> Iden-<br />

tifizierungshilfe ein. Von der Aus-<br />

nahme der Serien ›starker Frauen‹<br />

abgesehen, wählen die Künstler bei<br />

isolierten Darstellungen Sophonis-<br />

bes meist die Halbfigur. <strong>Die</strong> So-<br />

phonisbe [Abb. 12] von Nicolas<br />

Abb. 11 Abb. 12<br />

Régnier (1591-1667) beispielsweise wendet ihr Gesicht nach links ins Profil, wo-<br />

durch das Krönchen <strong>als</strong> Hoheitszeichen sichtbar wird, und hält mit beiden Händen<br />

eine goldene Trinkschale. 139<br />

Markant und sinngebend ist der Augenaufschlag, der den von Raffael für re-<br />

ligiöse Historienmalerei geprägten ›himmelnden‹ Blick 140 ins profane Historienbild<br />

übernimmt. Ob der nach oben gleitende Blick Verzweiflung, Schicks<strong>als</strong>ergebenheit<br />

oder Todessehnsucht ausdrückt, bleibt dem Betrachter überlassen. <strong>Die</strong> Hände hal-<br />

ten die Trinkschale in elegant-zierlicher Manier, ohne dass eindeutig zu bestimmen<br />

wäre, ob Sophonisbe das Gift bereits getrunken hat oder sich erst im nächsten Au-<br />

genblick dazu anschicken wird. Gerade die Unentschiedenheit der Geste und die<br />

Unbestimmtheit des innere Ergriffenheit signalisierenden Blicks verdeutlichen,<br />

dass vom Betrachter des Bildes zwar nicht »Betrachtungsfrömmigkeit« 141 wie bei<br />

Heiligenbildern, aber doch ein meditierendes Sich-Einlassen auf den Gemütszu-<br />

stand der Dargestellten erwartet wird.<br />

Guido Reni (1575-1642), <strong>als</strong> dessen Markenzeichen der ›himmelnde‹ Blick von<br />

Heiligen bezeichnet werden kann 142 , hat zweien seiner drei Sophonisben 143 eben<br />

diesen ›Seelenblick‹ gegeben. Das heute in Birmingham gezeigte Bild [Abb. 13],<br />

138<br />

Vgl. Katalog 292 und 289 (Kleopatra), 290 (Dido), 291 (Frau des Hasdrubal).<br />

139<br />

Vgl. Katalog 335.<br />

140<br />

Dazu Henning, Andreas / Weber, Gregor J. M. (Hrsg.): AK ›Der himmelnde Blick‹, Zur Geschichte eines<br />

Bildmotivs von Raffael bis Rotari, Dresden 1998.<br />

141<br />

<strong>Die</strong>sen Begriff nach Günther, Heinz: »Carlo Dolci, Studien zur religiösen Malerei im 17. Jahrhundert«, in:<br />

Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen, Wien, 56 (N.F.20) (1960), S. 197-234.<br />

142<br />

Dazu Ebert-Schifferer, Sybille: »Guido Reni: klassische Norm, christliches Pathos und reine Farbe« in: AK<br />

Guido Reni und Europa, Ruhm und Nachruhm, Schirn Kunsthalle Frankfurt 1988, S. 16-31.<br />

143<br />

Sie werden von Pepper, Stephen: Guido Reni, L’opera completa, Novara 1988, Nr. 170, 174 und 200, <strong>als</strong><br />

Artemisia identifiziert. Ich schließe mich der Argumentation Tümpels (a.a.O., S. 209) an, der die Bilder <strong>als</strong><br />

Darstellungen der Sophonisbe deutet.<br />

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