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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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IV Liebe, Patriotismus und Selbstbestimmung: Sophonisbe <strong>als</strong> <strong>Tugendheldin</strong><br />

fassung, die für sich in Anspruch nimmt, die familiarité comique 81 zu tilgen, die sich<br />

durch die Verbindung von Liebe und Politik im Handlungsaufriss Mairets 82 ergab.<br />

Voltaires Sophonisbe ist ein konsequent politischer Charakter, der die Liebe von<br />

Massinisse erst akzeptiert, <strong>als</strong> dieser sich auf die Seite Karthagos schlägt. Sie<br />

lässt sich in der dramatischen Schlussszene, <strong>als</strong> die Römer der punischen Ver-<br />

schwörung zuvorkommen, von Massinissa erstechen, der seinerseits Gift nimmt.<br />

An den Stücken Mairets, Corneilles und Voltaires, den in Europa wohl einfluss-<br />

reichsten Fassungen des Stoffes nach Trissino, lassen sich die Spielräume able-<br />

sen, die der Stoff den frühneuzeitlichen Dramatikern bot: der Konflikt zwischen<br />

Liebesaffekt und Politik ließ bei den Hauptfiguren, Sophonisbe wie Massinissa,<br />

eine Reihe von Varianten zu, die alle Dramatiker sich zunutze machten. 83 Daniel<br />

Caspar von Lohensteins (1635-1683) Sophonisbe (1680) nimmt im deutschen Ba-<br />

rockdrama eine zentrale Stellung ein und thematisiert den Tod der Königin im Kon-<br />

text der politischen Souveränität. 84<br />

Der Sophonisbe-Stoff wurde auch ein erfolgreiches Thema im Umkreis der früh-<br />

neuzeitlichen Amadis-Romane. François de Soucy, sieur de Gerzan, veröffentlich-<br />

te 1627 seine Histoire Afriquaine de Cléomède et de Sophonisbe, die Philipp von<br />

Zesen (1619-1689) <strong>als</strong> Afrikanische Sophonisbe (1647 und 1674) 85 übersetzte.<br />

Auch eine anonyme niederländischen Version D' Afrikaanse Sofonisba 86 (1661)<br />

liegt vor. Jacob Cats hat den Stoff in seinem die Ehe behandelnden populären<br />

81 Aus der Widmung an den Duc de la Vallière.<br />

82 Am deutlichsten vielleicht in der Rücknahme des komischen Motivs, den Maitet im Altersunterschied von<br />

Syphax und Sophonisbe hervorgehoben hat. Voltaires Sophonisbe ist Syphax durchaus gleichwertig: »Je<br />

cherche autant que vous une mort glorieuse« (I,2).<br />

83 Auch im Elisabethanischen Theater wurde der Stoff aufgegriffen: John Marston (1576-1634), The Wonder of<br />

Women, or The Tragedy of Sophonisba (1606). Er fand Nachfolger in Nathaniel Lee (c. 1653-1692) mit Sophonisba,<br />

or Hannibal's Overthrow (1681) und James Thomson (1700-1748) mit The Tragedy of Sophonisba<br />

(1734)<br />

84 Barner, Wilfried: »Disponible Festlichkeit, Zu Lohensteins Sophonisbe«, in: Haug, Walther/ Warning, Rainer<br />

(Hrsg.): Das Fest, München 1989 (Poetik und Hermeneutik 14), S. 247-275. – Peter-André Alt ist in einer<br />

neueren Untersuchung auf den funktionalen Zusammenhang von politischer Souveränität, Körper und Geschlecht<br />

in der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts eingegangen (Der Tod der Königin, Frauenopfer und<br />

politische Souveränität im Trauerspiel des 17. Jahrhunderts, Berlin / New York 2004). Im Kapitel »<strong>Die</strong> Königin<br />

im Krieg« (S. 94-127) interpretiert er Lohensteins Inszenierungen des Todes der Sophonisbe und der Kleopatra<br />

<strong>als</strong> »geschichtsmetaphysisch-finalistisch« (S. 119); beide Königinnen seien <strong>als</strong> »Repräsentantin eines – aus<br />

der Geschichtsperspektive des Dramas – überlebten kulturellen Denkkreises« (S. 119) dargestellt und den<br />

Regeln einer »historischen Teleologie« (S. 123) unterworfen; deshalb fielen sie dem Finalismus der translatio<br />

imperii zum Opfer. Kleopatras Tod werde <strong>als</strong> »ästhetisches Ereignis« (S. 123), Sophonisbes Sterben <strong>als</strong> »eine<br />

Selbstverklärung des mythischen Denkens« (S. 123) inszeniert.<br />

85 Philipp von Zesen: <strong>Die</strong> afrikanische Sofonisbe, hrsg. von Volker Meid), Berlin 1972 (Sämtliche Werke, Bd. 6)<br />

86 http://www.dbnl.org/tekst/buis006popu01/buis006popu01_1417.htm [zuletzt aufgerufen: 12.05.2008]) D'Afrikaanse<br />

Sofonisba ist 1661 bei I.I. Schipper in Amsterdam erschienen.<br />

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