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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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VII Posttridentinische Märtyrer und stoische Tugendhelden<br />

leicht geöffnetem Mund nach oben links, wohin sich auch ihr ›himmelnder Blick‹<br />

richtet. <strong>Die</strong> braunen Haare der Königin werden von einem turbanartig gewundenen<br />

grünen Tuch zusammengehalten; ein weißes gefälteltes<br />

Hemd unter einem roten Mantel steht über den Brüsten<br />

weit offen. Das totenbleiche Inkarnat der entblößten<br />

Brust, das sich kaum von der Farbe des Hemdes unter-<br />

scheidet, bestimmt das Zentrum des Blickfelds. Mit gra-<br />

ziöser Geste hält Kleopatra in ihrer Rechten eine kleine<br />

braune Schlange, die ihr Werk bereits getan hat, wie<br />

zwei winzige rote Blutstropfen auf der Brust andeuten.<br />

Abb. 7<br />

In Renis g a n z f i g u r i g e n Darstellungen der Magdalena stehen narrative<br />

Elemente im Vordergrund, in die sich der Betrachter der Altargemälde oder An-<br />

dachtsbilder vertiefen kann. Typisierte Details demonstrieren die asketische und<br />

meditative Existenzform der Heiligen. <strong>Die</strong> h a l b f i g u r i g e Präsentation der Heili-<br />

gen verfolgt hingegen durch die Verengung des Bildausschnitts eine andere Wir-<br />

kungsstrategie. <strong>Die</strong> Heilige ist räumlich und emotional an den Betrachter herange-<br />

rückt. <strong>Die</strong> Attribute Totenschädel und Kreuz sind an den Rand gedrängt, die Bild-<br />

aussage konzentriert sich auf die Vision der Heiligen. <strong>Die</strong> zurückgenommene Far-<br />

bigkeit unterstützt die Konzentration; der Betrachter wird zu einfühlender Andacht<br />

geführt. Der den Bildhintergrund bestimmende amor vacui 74 lässt keine Abschwei-<br />

fung der Devotion des Betrachters zu.<br />

Das gefühlsbetonte Devotionsbild, geradezu eine Invention Renis, wurde von Otto<br />

Kurz <strong>als</strong> »raffiniert-sentimental« 75 charakterisiert: Es zielt auf unmittelbare Wirkung<br />

und fordert den Betrachtenden auf, sich emotional auf die abkürzende Pathosfor-<br />

mel des Bildes einzulassen, das auf Einzelheiten der Legende verzichtet. <strong>Die</strong> ver-<br />

kürzte Bildformel verknüpft sinnliche Attraktivität mit einer großen Bandbreite von<br />

Rezeptionsmöglichkeiten. Das posttridentinische Andachtsbild führt in die emotio-<br />

nale Nähe der Heiligen und erreicht so seine rhetorische Funktion: persuadere le<br />

persone alla pietà 76 .<br />

74<br />

Nach Hibbard, H.: »Guido Reni' s Painting of the Immaculate Conception«, in: Bulletin of the Metropolitan<br />

Museum, 28 (1969/70), S. 19-32, hier S. 29.<br />

75<br />

Kurz, Otto: »Guido Reni, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen, Wien, N. F., 1937, S. 189-220,<br />

hier S. 211.<br />

76<br />

Vgl. Paleotti, Gabriele: Discorso intorno alle imagini sacre e profane, Bologna 1582, in: Barocchi, Paola<br />

(Hrsg.): Trattati d'arte del cinquecento tra manierismo e controriforma, 3 Bde, Bari 1960, Band 2, S. 148.<br />

220

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