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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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V Römische <strong>Tugendheldin</strong>nen in der Ikonographie der Frühen Neuzeit<br />

Lukretia: Keuschheit, eheliche Treue, politischer Umsturz<br />

Lukretia: Antike Quellen<br />

Livius verbindet die gewalttätige Episode der Lukretia geschickt mit dem Sturz der<br />

Königsherrschaft. 1 <strong>Die</strong> Einleitung seiner Komposition greift vertraute literarische<br />

Motive auf: während der Belagerung der Stadt Ardea streiten die Söhne des Kö-<br />

nigs mit ihrem Vetter Collatinus, wessen Frau die tugendhafteste sei. Bei einem<br />

überraschenden nächtlichen Besuch in Rom spinnt Lukretia, die Frau des Collati-<br />

nus, um Mitternacht noch mit ihren Mägden, während sich die Prinzessinnen nur<br />

amüsieren. Wenig später wird Lukretia von Sextus Tarquinius, einem der Königs-<br />

söhne, unter Mordandrohung zum Beischlaf gezwungen. Nicht nur das Leben der<br />

tugendhaften Lukretia ist in Gefahr, sondern auch ihre Ehre, weil Tarquinius plant,<br />

einen Ehebruch vorzutäuschen, und beabsichtigt, einen ermordeten Sklaven ne-<br />

ben ihre Leiche zu legen, sollte die junge Frau ihm nicht willfährig sein. Lukretia<br />

berichtet Vater, Ehemann und Freunden von ihrer Vergewaltigung, bevor sie Hand<br />

an sich legt. Über ihrer Leiche schwören die Verwandten Rache; das skandalöse<br />

Verhalten des Königssohns führt zum Aufstand, zum politischen Umsturz und zum<br />

Ende der Monarchie. Lukretias Tugend und die Unmoral des Königssohns werden<br />

zu Emblemen der ›moralischen‹ Republik und des ›lasterhaften‹ Königtums.<br />

Bereits in der Antike wurde der Stoff häufig aufgegriffen, zumal der ausführ-<br />

liche Bericht des Livius erlaubte, verschiedene Akzente zu setzen und auf das<br />

Verhalten der Lukretia selbst oder auf seine politische Folgen abzuheben. Diony-<br />

sios von Halikarnassos 2 betont den psychischen Schock der Heldin: Florus 3 legt<br />

1<br />

Ab urbe condita I,57,6-59,6<br />

2<br />

Dionysios von Halikarnassos: Antiquitates Romanae IV, 64,1-67,4 und 70,1ff. Dionysios scheint von Livius<br />

unabhängig zu sein.<br />

3<br />

Lucius Annaeus Florus: Opera, hrsg. von Paul Jal, Paris 1967, I,1 (I,7): »Tam diu superbiam regis populus<br />

Romanus perpessus est, donec aberat libido; hanc ex liberis eius inportunitatem tolerare non potuit. Quorum<br />

cum alter ornatissimae feminae Lucretiae stuprum intulisset, matrona dedecus ferro expiavit; imperium regibus<br />

abrogatum.« (›Das römische Volk ertrug die Anmaßung des Königs so lange, bis sexuelle Zügellosigkeit dazu<br />

kam; eine solche Rücksichtslosigkeit der königlichen Söhne konnte das Volk nicht ertragen. Als einer von<br />

ihnen die schöne Lucretia vergewaltigt hatte, sühnte die verheiratete Frau die Schande mit dem Dolch; den<br />

Königen wurde die Herrschaft entzogen.‹) und I, 3 (I,9): »Igitur Bruto Collatinoque ducibus et auctoribus, quibus<br />

ultionem sui moriens matrona mandaverat, populus Romanus ad vindicandam libertatis ac pudicitiae decus<br />

quodam quasi instinctu deorum concitatus regem repente destituit, bona diripit, agrum Marti suo consecrat,<br />

imperium in eosdem libertatis suae vindices transfert, mutato tamen et iure et nomine.« (›Deshalb gab das<br />

römische Volk, wie durch eine Eingebung der Götter veranlasst, unter seinen maßgeblichen Führern Brutus<br />

und Collatinus, denen die sterbende Frau ihre Rache aufgetragen hatte, den König schnell preis, um Freiheit<br />

und Ehre wiederherzustellen, es nimmt dem König den Besitz weg, weiht den Besitz dem Gott Mars, überträgt<br />

die Regierungsgewalt auf seine Befreier und ändert die politische Verfassung.‹)<br />

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