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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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IV Liebe, Patriotismus und Selbstbestimmung: Sophonisbe <strong>als</strong> <strong>Tugendheldin</strong><br />

ohne erläuternden Text verlangten einen eindeutigen »ikonologischen Code«, der<br />

die Sophonisbe-Episode auf den entscheidenden und sinntragenden Augenblick<br />

reduzierte.<br />

Eine solch verdichtende Reduktion der Geschichte Sophonisbes auf das<br />

Trinken des Giftbechers erfolgt bereits in einer grisailleartigen Darstellung, die<br />

Mantegna (1431-1506) oder seinem Umkreis 109 zugerechnet wird. [Abb. 3] Hier<br />

führt eine isoliert stehende Sophonisbe mit der Rechten ei-<br />

nen Pokal an die Lippen. Im Gegensatz zu ihrem frontal ge-<br />

gebenen Körper ist das Gesicht ins Profil gewendet, um das<br />

Trinken des Gifts zu akzentuieren.<br />

Dass Sophonisbe bereits zu diesem Zeitpunkt in eine<br />

Serie exemplarischer Frauen der Antike gehörte, scheint eine<br />

weitere, ebenfalls in der Londoner Nationalgalerie befindliche<br />

Grisaille aus der gleichen Reihe nahezulegen, die die Vesta-<br />

lin Tuccia präsentiert. <strong>Die</strong> in Tempera auf Pappelholz ausge-<br />

führten Frauengestalten imitieren vergoldete Bronzeskulptu-<br />

ren, die vor gemalten Marmorhintergrund gesetzt sind. <strong>Die</strong><br />

gemalten Skulpturen waren Teil einer Wandverkleidung und<br />

dienten <strong>als</strong> Klappläden zum Verdunkeln von Fenstern. Da<br />

Isabella d' Este in ihrem Studierzimmer bronzi finti von Man-<br />

tegna besaß, dürften die beiden erhaltenen Grisaillen<br />

Abb. 3<br />

aus dieser Folge stammen. 110 Unter mehreren Gesichtspunkten sind beide für die<br />

spätere ikonographische Entwicklung der Darstellung Sophonisbes interessant:<br />

Sophonisbe wird bereits in eine Serie aufgenommen und das Motiv ist schon so<br />

bekannt, dass es auf das Trinken des Giftbechers verkürzt noch erkannt wird.<br />

<strong>Die</strong>s bestätigen zwei andere aus dem gleichen Zeitraum stammende Se-<br />

rien 111 der Sieneser Sammlung Chigi-Saracini, in denen Sophonisbe ebenfalls mit<br />

dem Giftbecher eingeführt wird: In der Serie des ›Maître des héroïnes de Chigi-<br />

109 Vgl. Katalog 227 (Sophonisbe). Im Katalog der National Gallery von 1986 (Braham, Allan [Hrsg.]: Illustrated<br />

General Catalogue, London 2 1986, S. 350, Nr. 1125 B) werden beide in London befindliche Grisaillen (auch<br />

Katalog 228: Tuccia) noch dem Umkreis Mantegnas zugerechnet, während sie in der Neubearbeitung des<br />

Kataloges (Baker, Christopher / Henry, Tom [Hrsg.]: The National Gallery, Complete Illustrated Catalogue,<br />

London 1995, S. 407) Mantegna (um 1495-1506) selbst zugesprochen werden.<br />

110 Ich komme unten, S. 240, auf das Bild zurück. Vgl. im Übrigen: Christiansen, Keith: »The Studiolo of Isabella<br />

d'Este and late themes«, in Martineau, Jane (Hrsg.): AK Andrea Mantegna, London / New York 1992, S.<br />

394-468.<br />

111 Näheres unten S. 242.<br />

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