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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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IV Liebe, Patriotismus und Selbstbestimmung: Sophonisbe <strong>als</strong> <strong>Tugendheldin</strong><br />

die verletzte Liebe Massinissas am Anfang der dramatischen Episode. 24 Als Sy-<br />

phax im weiteren Kriegsverlauf in Gefangenschaft gerät, lässt Sophonisbe Massi-<br />

nissa durch Gesandte wissen, sie habe sich nur unter Zwang mit Syphax verbun-<br />

den. 25 Der römische Feldherr fordert von Massinissa ihre Auslieferung, weil So-<br />

phonisbe von Syphax <strong>als</strong> glühende karthagische Patriotin geschildert wird. Massi-<br />

nissa eröffnet Sophonisbe die ausweglose Situation und reicht ihr selbst das Gift;<br />

anders <strong>als</strong> bei Livius kommt die Königin nicht mehr selbst zu Wort. 26<br />

Ein fait divers aus den römisch-karthagischen Auseinandersetzungen wird<br />

von Livius und Appian, deren Darstellungen sich in bemerkenswerter Weise er-<br />

gänzen, zu einer Episode konturiert, die es im Humanismus und in der Renaissan-<br />

ce zu einem späten literarischen Erfolg brachte, weil sich im Konflikt Sophonisbes<br />

der Antagonismus zwischen Liebe und Politik exemplarisch darstellen ließ. Wäh-<br />

rend Appian die politischen Hintergründe und Motivationen hervorhebt, rückt Livius<br />

den inneren Konflikt Sophonisbes in den Vordergrund. In der Frühen Neuzeit konn-<br />

te so die nebensächliche Episode aus den Punischen Kriegen ein bemerkenswer-<br />

tes revival verzeichnen.<br />

Spätmittelalterliche Rezeption<br />

Der frühneuzeitliche theatralische und ikonographische Erfolg der Episode aus<br />

dem Zweiten Karthagischen Krieg wäre nicht möglich gewesen, hätte nicht ein so<br />

prominenter Humanist wie P e t r a r c a (1304-1374) den Stoff aufgegriffen und So-<br />

phonisbe in seinem großen lateinischen Epos und in einem volkssprachlichen alle-<br />

24 Ȇber die Numider Afrikas herrschten viele Dynasten, getrennt nach ihren einzelnen Gebieten. Den ersten<br />

Rang unter allen nahm Syphax ein, und er genoß bei den anderen hohes Ansehen. Auch gab es einen gewissen<br />

Masinissa, den Angehörigen eines mächtigen Stammes, der Massylier, und Sohn ihres Königs. <strong>Die</strong>ser war<br />

in Karthago erzogen und ausgebildet worden, und da er ein stattlicher Mann von vornehmem Charakter war,<br />

hatte ihm Hasdrubal, der Sohn des Gisko, der an Rang keinem Karthager nachstand, seine Tochter verlobt,<br />

obschon jener ein Numider, er selbst aber ein Karthager war. Nach der Verlobung nahm er <strong>als</strong> Feldherr den<br />

jungen Mann nach Iberien mit. Doch Syphax, der ebenfalls von Liebe zu dem Mädchen erfaßt war, begann das<br />

karthagische Land zu plündern und verabredete mit Scipio, der eigens zu einem Treffen mit ihm aus Iberien<br />

herübergefahren war, ein gemeinsames Vorgehen, wenn dieser Karthago angreife. <strong>Die</strong> Karthager hörten davon,<br />

und da sie großen Wert darauf legten, Syphax' Hilfe für den Krieg gegen die Römer zu gewinnen, gaben<br />

sie ihm das Mädchen, ohne daß Hasdrubal und Masinissa, die beide in Iberien weilten, irdendwelche Kenntnis<br />

davon hatten. Masinissa war über das Vorgehen äußerst erbittert und schloß nun seinerseits – von Hasdrubal<br />

unbemerkt, wie er wähnte – in Iberien ein Abkommen mit Scipio.« (KA 36-40)<br />

25 »Es fanden sich bei ihnen auch Gesandte aus Cirta ein und boten ihnen den Palast des Syphax an. Wiederum<br />

einige kamen von Sophoniba, der Gattin des Syphax, eigens zu Masinissa und machten Angaben über<br />

deren erzwungene Heirat. Mit Freuden nahm Masinissa die Sophoniba entgegen und machte sie zu seiner<br />

Frau. Dann ließ er sie in Cirta zurück und kehrte selbst zu Scipio zurück, da er die weitere Entwicklung deutlich<br />

voraussah.« (KA 111f.)<br />

26 »Sophoniba zeigte ihrer Amme den Becher, bat sie, nicht zu weinen, wenn sie jetzt einen ehrenvollen Tod<br />

sterbe, und trank dann von dem Gift. Sobald die Römer erschienen, wies ihnen Massinissa die Leiche vor und<br />

begrub sie königlich.« (KA 119)<br />

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