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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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V Römische <strong>Tugendheldin</strong>nen in der Ikonographie der Frühen Neuzeit<br />

und konnotiert ihr Sterben neustoisch.<br />

Exkurs: <strong>Die</strong> vermeintliche Kleopatrastatue im Cortile<br />

del Belvedere<br />

Eine heute meist <strong>als</strong> Ariadne gedeutete antike Statue,<br />

die unmittelbar nach ihrem Fund 47 <strong>als</strong> Kleopatra<br />

interpretiert wurde, kam 1512 unter dem Pontifikat<br />

von Julius II. (1503-1513) aus der Sammlung<br />

der Maffei in den vatikanischen Cortile del Belvedere<br />

und wurde dort <strong>als</strong> Kleopatra zur zentralen<br />

Figur eines Brunnens.<br />

Sowohl ihr hoher Preis <strong>als</strong> auch ihre Aufstellung<br />

sind bezeugt: Giovanni Francesco Pico della<br />

Mirandola 48 , der sich in Erbschaftsangelegenheiten<br />

in Rom aufhielt, berichtet nämlich im <strong>August</strong><br />

1512 49 : »[…] et quodam in angulo spectrum - demorsae<br />

ab aspide Cleopatrae, cuius quasi de<br />

Abb. 7<br />

mammis destillat fons uetustorum instar aqueductuum excipiturque antiquo, in<br />

quo[d] relata sunt Traiani Principis facinora quaepiam, marmoreo sepulchro.« 50<br />

Weitere Belege finden sich 1513 und 1527. 51 Durch eine Skizze des Amico Aspertini<br />

(ca. 1474-1552) wissen wir, dass die rechte Hand der Statue fehlte [Abb. 8] und<br />

47 Das genaue Ausgrabungsdatum ist unbekannt; es handelt sich um eine aus der Zeit des Hadrian oder des<br />

Antoninus Pius stammende römische Kopie eines griechischen Origin<strong>als</strong>. – Erst Winckelmann brach endgültig<br />

mit der Deutung <strong>als</strong> Kleopatra. Er interpretierte die vermeintlichen Todesschlangen <strong>als</strong> Schlangenarmbänder,<br />

die er <strong>als</strong> gebräuchliche Schmuckform der Antike nachweisen konnte. Der erhobene rechte Arm und die entspannte<br />

Mimik der Dargestellten ließen ihn zu dem Schluss kommen, es handle sich um eine schlafende<br />

Nymphe oder Venus. Er griff damit auf eine frühe Deutung des Giovanni Battista de Cavalieri (Antiquarum<br />

Statuarum Urbis Romae, liber I-III, ed. Madrucci, Rom vor 1584) zurück. Der die Kleopatra-Statue abbildende<br />

Stich in Cavalieris Werk (pl. 6) ist mit folgender Unterschrift versehen: »Nymphae cuiusdam dormientis simulacrum<br />

e marmore mira arte factum in viridario / Vaticano Romae; quidam propter adiectum serpentem Cleopatrae<br />

imaginem putant«. (Abb. bei Brummer, a.a.O., S. 255). Vgl. Kunze, Max: »Winckelmanns Beschreibungen<br />

im Lichte des Florentiner Nachlaßheftes«, in: Il Cortile delle Statue, Der Statuenhof des Belvedere im<br />

Vatikan, a.a.O., S. 431-441, besonders S. 435.<br />

48 Zum Neffen des berühmten Philosophen, der zur Unterscheidung <strong>als</strong> Gianfrancesco Pico della Mirandola II<br />

bezeichnet wird, vgl. Schmitt, Charles B.: Gianfrancesco Pico della Mirandola (1469-1533) and his critique of<br />

Aristotle, The Hague 1967, S. 24-26.<br />

49 ›Und in einer Ecke [sieht man] das Bild der von einer Schlange gebissenen Kleopatra, aus deren Brüsten<br />

gleichsam eine Quelle nach Art der alten Wasserleitungen fließt und in einem marmornen Sarkophag aufgefangen<br />

wird, auf dem die Taten des Kaisers Trajan dargestellt sind.‹ – Gianfrancesco schreibt im <strong>August</strong> 1512<br />

an Lilius Gregorius Giraldi (seinem De Venere et Cupidine expellendis carmen [Rom 1513] vorangestellt).<br />

50 Auch Ernst H. Gombrich (Das symbolische Bild, Zur Kunst der Renaissance II, Stuttgart 1986, S. 129) zitiert<br />

den Brief: »Lilius, kennst du Venus und Amor, die Götter des nichtigen Altertums? Julius II., Pontifex Maximus,<br />

holte sie sich aus römischen Ruinen, wo sie vor kurzem entdeckt wurden, und stellte sie in seinem dunkel<br />

gepflasterten, herrlich duftenden Zitronenhain auf, in dessen Mitte die Koloss<strong>als</strong>tatue des Blauen Tiber steht.<br />

Aber überall stehen antike Statuen, jede auf ihrem eigenen kleinen Altar. Auf der einen Seite ist der troische<br />

Laokoon dargestellt, wie Vergil ihn schilderte; auf der anderen sieht man die Gestalt Apollos mit seinem Köcher,<br />

wie Homer ihn beschreibt. Und in einer Ecke sieht man auch eine Figur der Kleopatra, nachdem sie von<br />

der Natter gebissen worden war, aus deren Brüsten, sozusagen, das Wasser gleichsam wie aus alten Aquädukten<br />

fließt und in einen Marmorsarkophag fällt, auf dem die Taten des Kaisers Trajan erzählt werden.«<br />

Gombrich geht auf die Entwicklung des Belvederegartens ein, der von Bramante für Julius II. eingerichtet wurde,<br />

und behandelt den Einfluss der Hypnerotomachia auf die Gartengestaltung, die eine antike Atmosphäre<br />

herstellen wollte.<br />

51 Brummer (a.a.O., Appendix I, S. 265) zitiert eine handschriftliche Notiz zu den Antiquaria Urbis bzw. Antiquitates<br />

Urbis des Fulvius aus dem Jahre 1513 (»Stat Cleopatra super cubito subnixa grauato: / Serpentis spira /<br />

quo concidit ipsa reuincto.« [›Kleopatra stützt sich auf den von der Schlange bedrängten Arm, durch deren<br />

Umwindung sie stirbt.‹] und eine weitere aus dem Jahre 1527 (»Cleopatra fonti apposita exangui simillima«<br />

›Kleopatra, zu einem Brunnen gehörig, einer Toten sehr ähnlich‹).<br />

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