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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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VIII Tema con variazioni – Bildprogramme<br />

cke die Serie der ›femmes fortes‹ auf, die wahrscheinlich von Charles Poerson<br />

(1609-1667) stammt. 118 Allerdings könnte er auch Mitarbeiter benutzt haben; der<br />

schlechte Erhaltungszustand und die wiederholten Übermalungen lassen ein ein-<br />

deutiges Urteil nicht zu. Irrtümer in den französischen subscriptiones zeigen an,<br />

dass die Reihe nicht vollständig erhalten ist. Der Zusammenhang mit Anne<br />

d’Autriche ist durch ein Deckengemälde gesichert, das eine Allegorie der französi-<br />

schen Monarchie mit den Zügen der Regentin darstellt. <strong>Die</strong> erhaltenen Holztafeln<br />

des Frieses zeigen – den Illustrationen bei Le Moyne entsprechend – ›fortes jui-<br />

ves‹ (Jaël, Judith, Deborah, Esther), ›fortes barbares‹ (Semiramis, Antiope, Pen-<br />

thesilea, Berenike), ›fortes romaines‹ (Porzia, Lukretia, Paulina) und ›fortes chré-<br />

tiennes de l’époque contemporaine‹ (Maria Stuart, die französische Judith, Jeanne<br />

d’Arc). Alle für das Programm ausgewählten Römerinnen sind durch ihren Selbst-<br />

mord zu <strong>Tugendheldin</strong>nen geworden. Im Unterschied zur Graphikserie nach Vig-<br />

non wählte Poerson dreiviertelfigurige Darstellungen.<br />

In den gleichen Jahren wurde die Ikonographie ›starker Frauen‹ unter anderen Gesichtspunkten<br />

auch in Rom und Florenz eingesetzt. Giacinto Gimignani (1606-1681)<br />

freskierte um 1648 einen privaten Raum des römischen Palazzo Pamphili 119 für<br />

Olympia Pamphili mit alttestamentlichen donne illustri (Judith, Thermutis, Esther und<br />

Abigaïl), die in verschiedener Weise für die Familienehre eintraten und weibliche Tugenden<br />

exemplifizieren. Männliche Herrschertugenden standen hingegen im Vordergrund,<br />

<strong>als</strong> Ferdinando II. de’ Medici (1610-1670) 1641/1642 den Saal der Venus<br />

im Palazzo Pitti von Pietro Cortona (1596-1669) freskieren ließ. In den Lünetten<br />

werden <strong>als</strong> Beispiele hochherzigen Liebesverzichts auch Sophonisbe und Kleopatra<br />

in einer eigenartigen Deutung dargestellt. 120 Ein spätes Beispiel ist ein durch Bellori<br />

beschriebener ›autonomer‹ Zyklus von ursprünglich sechs ›starken Frauen‹, den<br />

1694 Carlo Maratta (1625-1713) für den römischen Bankier Francesco Montioni<br />

gemalt hat. 121 Von einer Ausnahme abgesehen ist er nur noch durch Kupferstiche<br />

bekannt. 122 Für unseren Zusammenhang ist die Aufnahme des Selbstmords der Lukretia<br />

bemerkenswert. Spuren einer weiteren ›autonomen‹ Serie ›starker Frauen‹ von<br />

Jean-Baptiste Nattier (1678-1726), darunter eine Lukretia, eine Artemisia, eine Kleopatra<br />

und eine Porzia, bezeugen die andauernde Beliebtheit des Motivs. Wie andere<br />

Werke des Malers könnten auch diese Gemälde bereits <strong>als</strong> Rollenbilder konzipiert<br />

gewesen sein. 123<br />

118 Vgl. Richard-Jamet, a.a.O., S. 197ff. und Abb. 148-155.<br />

119 Vgl. Richard-Jamet, a.a.O., S. 162ff. und Abb. 110-112.<br />

120 Das Deckengemälde zeigt Athene, die die Jugend den Armen der Venus entreißt, ein Motiv, das in den<br />

Lünetten an acht Beispielen (Cyrus und Panthea, Alexander und die Frau des Darius, Antiochus und Stratonice,<br />

Antiochus III. und die Priesterin der Diana, Enthaltsamkeit des Scipio Africanus, Massinissa und der Tod<br />

Sophonisbes, Fausta und Crispus, Kleopatra und <strong>August</strong>us) demonstriert wird. <strong>Die</strong> »Heroicae Virtutis Imagines«<br />

des Palazzo Pitti wurden in einer Graphikserie verbreitet (AK <strong>Die</strong> Galerie der Starken Frauen, Nr.59).<br />

Richard-Jamet (S. 142f.) vermutet zu Recht, die Fresken von Pietro Cortona im Palazzo Pitti könnten Anne d’<br />

Autriche und ihr Konzept der ›starken Frauen‹ beeinflusst haben, zumal Mazarin vergeblich den Künstler nach<br />

Paris zu ziehen versuchte. In diesen Zusammenhang gehört auch, dass Pietro da Cortona das Deckblatt der<br />

Galerie des femmes fortes des Pierre Le Moyne entwarf.<br />

121 Bellori nennt Kleopatra (heute im Palazzo Venezia), Lukretia, Proba Falconia und Tuccia. Vgl. Bellori, Giovanni<br />

Pietro: Le Vite de’ Pittori, Scultori e architetti moderni, hrsg. von Evelina Borea, Turin 1976, S. 651.<br />

122 Vgl. AK <strong>Die</strong> Galerie der Starken Frauen, Nr.141.1 und 141.2. und Richard-Jamet, a.a.O., S. 134f.<br />

123 Richard-Jamet, a. a.O., S. 415 und Abb. 318. <strong>Die</strong> Bilder tauchten 1977 und 1994 auf Auktionen auf.<br />

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