21.06.2013 Aufrufe

Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

VIII Tema con variazioni – Bildprogramme<br />

La Philosophie Morale nous a esté donnée pour gouuerner nos Passions; pour distinguer<br />

nos deuoirs et nos offices; pour nous apprendre les exercices de la Vertu; pour nous conduire<br />

comme par la main à la Beatitude. 149<br />

Der komplexere Wertediskurs frühneuzeitlicher Eliten manifestiert sich in einem<br />

Tugendkatalog, in dem nicht mehr nur kriegerisch-männliche Qualitäten gefordert<br />

waren:<br />

Cette Force armée et robuste n’est que la subalterne d’vne Force generale, qui assiste<br />

toutes les Vertus; qui est de toutes les grandes actions; qui soustient toutes les bonnes<br />

oeuures, qui est la directrice de tous les Heros de paix, et tous les Heros de guerre. C’est à<br />

cette force que Sainct Ambroise et Sainct Gregoire, attribuent aprez Platon, les victoires de<br />

l’esprit sur la chair, celles de la Vertu sur la Fortune, celles de l’honneste sur l’agreable et<br />

sur l’vtile. C’est de cette Force que parle le Sage [Prv 31,10] dans cette peinture, où la<br />

Femme Forte est tirée auec de si belles couleurs, et couronnée d’vn si magnifique eloge. 150<br />

Da der Beweggrund aller grandes actions sich auch an weiblichen Exempeln dar-<br />

stellen lässt, konnte in einer Galerie ›starker‹ Frauen ein vollständiger Tugendkata-<br />

log geboten werden, wobei das exemplarisch tugendhafte Handeln Lukretias oder<br />

Porzias den Skandal des Selbstmords in den Hintergrund treten ließ. Für die früh-<br />

neuzeitlichen Eliten konnten solche Galerien die Funktion eines mittelalterlichen<br />

Fürstenspiegels 151 übernehmen, der nicht nur den Regenten, sondern auch die ihn<br />

umgebende Aristokratie in paränetischer und oft utopisch-didaktischer Form mit<br />

den gruppenspezifischen Normen vertraut machte. <strong>Die</strong> ›Galerien starker Frauen‹<br />

exemplifizierten Tugenden, die in der entstehenden höfisch-absolutistischen Ge-<br />

sellschaft <strong>als</strong> Schlüsselqualitäten galten. 152 Dabei trat der aktuelle Ausgangspunkt,<br />

die Diskussion über die politische Ebenbürtigkeit von Frauen, rasch gegenüber der<br />

allgemeinen, neustoisch gefärbten Wertediskussion in den Hintergrund. Literarisch<br />

der Fußnote: »The four functions of ›force‹ are said to be justice, stoic apathy, control of the passions, and<br />

preparation for death.«<br />

149 Le Moyne, Pierre: La gallerie des femmes fortes, Paris 1647, S. 254 (Maclean S. 67) (›<strong>Die</strong> Moralphilosophie<br />

wurde uns gegeben, um unsere Affekte zu beherrschen, unsere Pflichten und unsere Aufgaben zu erkennen,<br />

um uns den Gebrauch der Tugend zu lehren und um uns gleichsam an der Hand zur Glückseligkeit zu führen.‹)<br />

150 Le Moyne a.a.O., S. aa4r (nach Maclean S. 82) (›Körperliche und kriegerische Fähigkeiten sind einer weiterreichenden<br />

(heroischen) Seelenstärke untergeordnet, die alle Tugenden unterstützt, an allen großen Taten<br />

beteiligt ist, alle guten Werke unterstützt, alle Heroen des Friedens und des Krieges lenkt. <strong>Die</strong>ser Seelenstärke<br />

schreiben der Heilige Ambrosius und der Heilige Gregor, hierin Platon folgend, die Siege des Geistes über das<br />

Fleisch, der Tugend über das Schicksal, des Ehrenhaften über das Angenehme und Nützliche zu. Von dieser<br />

Seelenstärke spricht Salomon (Prv 31,10) in der Beschreibung, die der Starken Frau so schöne Farben verleiht<br />

und sie mit so großartigem Lob krönt.‹)<br />

151 Vgl. Anton, Hans: »Fürstenspiegel« , in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 4, Sp. 1040-1058.<br />

152 Auf die sich in der Frühen Neuzeit in völlig neuer Weise ausbildenden funktionalen Zusammenhänge zwischen<br />

Ikonographie, Propaganda und Legitimation hat jüngst Gérard Sabatier hingewiesen (»Ikonographische<br />

Programme und Legitimation der königlichen Autorität in Frankreich im 17. Jahrhundert«, in: Asch, Ronald /<br />

Feist, Dagmar [Hrsg.]: Staatsbildung <strong>als</strong> kultureller Prozess: Strukturwandel und Legitimation von Herrschaft in<br />

der Frühen Neuzeit, Köln 2005, S. 255-265). Sabatier greift dabei auf ein Forschungsprogramm des französischen<br />

CNRS zurück, das sich seit 1985 mit der Entstehung des modernen Staates befasst. <strong>Die</strong> Sektion 7<br />

untersucht Veränderungen und Funktionen der politischen Ikonographie. Dazu u.a. Ellenius, Allan (Hrsg.):<br />

Iconography, Propaganda and Legitimation, Oxford 1998 und Sabatier, Gérard: »Les rois de représentation,<br />

Image et pouvoir (XVI e -XVII e siècles)«, in: Revue de synthèse 112 (1991), S. 387-422.<br />

258

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!