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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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VIII Tema con variazioni – Bildprogramme<br />

legt. 12 Zunächst umfasste der im französischen Spätmittelalter ausgebildete Katalog<br />

weiblicher preuses 13 nur kriegerische Königinnen und Amazonen der Antike (Deipyle,<br />

Sinope, Hippolyte, Menalippe, Semiramis, Lampeto, Tomyris, Teuta und Penthesilea).<br />

Erst im 15. Jahrhundert und wohl vor allem im deutschsprachigen Bereich 14<br />

setzte sich auch für die preuses eine triadische Gliederung nach heilsgeschichtlichen<br />

Epochen durch: eine antike Dreiergruppe (Lukretia, Veturia, Virginia) stand dann neben<br />

einer alttestamentlichen (Esther, Judith, Jaël) und einer christlichen (Helena,<br />

Brigitta, Elisabeth).<br />

<strong>Die</strong> neun preux wurden seit dem letzten Drittel des 14. Jahrhunderts in den Bildkünsten<br />

aufgegriffen; über siebzig Zeugnisse in Skulptur, Freskomalerei, Glasmalerei,<br />

Textilkunst und Druckgraphik sind nachgewiesen. In Bildprogrammen werden die<br />

Helden meist durch auf ihre Taten verweisende inscriptiones vereindeutigt, gemalte<br />

Bänder oder Scheinarchitektur stellen rahmend zusätzlich einen Zusammenhang her<br />

und bringen die Fresken in die Nähe antiker Skulpturengalerien. <strong>Die</strong> Bildprogramme<br />

spiegeln auch subtile Wandlungen des Wertekanons wider. 15 <strong>Die</strong> später hinzutretenden<br />

preuses greifen gelegentlich die üblichen weiblichen Personifikationen der drei<br />

theologischen und der vier Kardinaltugenden auf. Hans Burgkmair d. Ä. scheint <strong>als</strong><br />

einer der ersten diese Aufteilung nach »Glaubenstriaden« 16 bei den männlichen und<br />

weiblichen Helden ins Bild gesetzt zu haben.<br />

<strong>Die</strong> literarischen Kataloge berühmter Männer, die Petrarca wieder aufgegriffen hat-<br />

te, wurden seit Boccaccio durch Kataloge berühmter Frauen ergänzt. Entspre-<br />

chend finden sich zunächst Bildprogramme, in denen weibliche <strong>Tugendheldin</strong>nen<br />

zusammen mit illustren Männern auftreten; erst allmählich entstanden auch Bild-<br />

folgen, die nur weibliche Exempel zusammenstellen. Céline Richard-Jamet hat da-<br />

für die Begriffe ›gemischte‹ und ›autonome‹ Serie eingeführt. 17<br />

<strong>Die</strong> ›Galerie starker Frauen‹, auf den ersten Blick eine ›feministische‹ Akzentuierung<br />

von Mythos und Geschichte, hat, lange bevor sie in die barocken Bildkünste Eingang<br />

fand, Vorläufer in den literarischen Katalogen der Antike: Cornelius Nepos, Plinius<br />

der Jüngere und Valerius Maximus stellten in ihren Sammelwerken herausragende<br />

Männer und Frauen unter verschiedenen Aspekten zusammen. 18 Petrarca griff in der<br />

12<br />

Vgl. Sedlacek, Ingrid: <strong>Die</strong> Neuf Preuses, Heldinnen des Spätmittelalters, Marburg 1997.<br />

13<br />

Dazu Fajen, Robert: <strong>Die</strong> Lanze und die Feder, Untersuchungen zum ›Livre du Chevalier errant‹ von Thomas<br />

III., Markgraf von Saluzzo, Wiesbaden 2003.<br />

14<br />

Sedlacek, a.a.O., S. 128.<br />

15<br />

Vgl. Schroeder, Horst: Der Topos der ›Nine Worthies‹ in Literatur und bildender Kunst, Göttingen 1971. – So<br />

Hans Burgkmair d. Ä. in seiner Serie der neun Helden und neun Heldinnen (Abbildungen in: Baumgärtel, B. /<br />

Neysters, S. [Hrsg.]: AK <strong>Die</strong> Galerie der Starken Frauen, Düsseldorf 1995, S. 160-161). Hans Burgkmairs<br />

Holzschnitt wurde auch <strong>als</strong> Vorlage für andere künstlerische Techniken und Neuinterpretationen verwendet; so<br />

ließen sich Pfalzgraf Ottheinrich, sein Bruder Philipp und sein Schwager Herzog Wilhelm IV. von Bayern auf<br />

einem kleinen, aus Solnhofer Stein gefertigten Steinrelief <strong>als</strong> Artus, Karl der Großen und Gottfried von Bouillon<br />

porträtieren, um ihre Rollen für die Reformation zu verdeutlichen. Vgl. Bäumler, S. / Brockhoff, E. / Henker, M.<br />

(Hrsg.): Von Kaisers Gnaden, 500 Jahre Pfalz-Neuburg, Regensburg 2005, S. 349f.<br />

16<br />

Vgl. AK <strong>Die</strong> Galerie der Starken Frauen, S. 160f.<br />

17<br />

Richard-Jamet, Céline Catherine Jeanne: Les galeries de ›femmes fortes‹ dans les arts en Europe au XVIe<br />

et au XVIIe siécles: une étude iconographique comparative; thèse Université Michel de Montaigne-Bordeaux<br />

III, 2003, passim. <strong>Die</strong> Unterscheidung von »séries mixtes« und »séries autonomes« ist nicht ganz glücklich,<br />

weil es natürlich auch ›autonome‹ Bildfolgen mit ›starken Männern‹ gibt.<br />

18<br />

So gliederte Valerius Maximus in der frühen Kaiserzeit seine Sammlung Facta et dicta memorabilia thematisch<br />

nach Tugenden und Lastern. Als Kapitelüberschriften dienen gute oder schlechte Eigenschaften wie<br />

moderatio (Maßhalten), clementia (Milde), fortitudo (Tapferkeit) oder crudelitas (Grausamkeit), avaritia (Habgier)<br />

und perfidia (Treulosigkeit). In den einzelnen Kapiteln werden Römern Personen aus der nichtrömischen<br />

Geschichte gegenübergestellt. Der patriotisch-konservativen Haltung des Valerius Maximus entsprechend<br />

überwiegen die römischen Beispiele (636 römischen Beispielen stehen 320 exempla externa gegenüber).<br />

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