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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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IV Liebe, Patriotismus und Selbstbestimmung: Sophonisbe <strong>als</strong> <strong>Tugendheldin</strong><br />

Hand haltend (a mano a mano) und weinend (dolcemente lagrimando), am Erzäh-<br />

ler vorbei. 39 Massinissa berichtet, seine unglückliche Liebe zu Sophonisbe sei am<br />

Loyalitätskonflikt mit Scipio gescheitert. Noch in der Traumvision ist Massinissa voll<br />

Bewunderung und Verehrung für Scipio (sommo uom), seine Leistung (virtute) und<br />

seinen Gerechtigkeitssinn (gran giustizia). Augenfällig ist Sophonisbe 40 im Trium-<br />

phus Amoris <strong>als</strong> liebende Frau charakterisiert, die zum Opfer der Politik wird. Wie<br />

in der Africa avanciert Scipio zum zweiten römischen Nationalhelden.<br />

Gleichzeitig mit Petrarcas Bearbeitungen des Sophonisbe-Stoffs nahm auch Boc-<br />

c a c c i o (1313-1375) die antike <strong>Tugendheldin</strong> in sein historisch-mythologisches<br />

Sammelwerk De claris mulieribus 41 auf. Das hier entworfene Bild beeinflusste für<br />

Jahrhunderte die gelehrte, literarische und ikonographische Rezeption der Sopho-<br />

nisbe. Boccaccio hielt sich eng an die Vorlage des Livius, dramatisierte die Episo-<br />

de aber dadurch, dass er nur Sophonisbe (und dies gleich mehrfach) zu Wort<br />

kommen lässt. <strong>Die</strong>se Vorgaben wurden in den ersten Theaterfassungen der Epi-<br />

sode aufgegriffen, zumal Boccaccio den Grundkonflikt zwischen Liebe und Politik<br />

zuspitzte.<br />

Über Livius hinausgehend hob Boccaccio den politischen Hintergrund der ersten<br />

Ehe Sophonisbes hervor. Hasdrubal versucht, Syphax auf die karthagische Seite<br />

zu ziehen und setzt dabei auf die Reize seiner Tochter. 42 <strong>Die</strong> politische Instrumentalisierung<br />

der Liebe gelingt: Der liebesblinde Syphax kann sogar zum Vertragsbruch<br />

gebracht werden. 43 Auch die sich nach der Gefangennahme des Syphax<br />

entwickelnde Beziehung zwischen Sophonisbe und Massinissa wird von Boccaccio<br />

39<br />

II,1-87<br />

40<br />

Ihr sind nur wenige Verse (vv. 77-78 und 82-84) direkter Rede zugedacht.<br />

41<br />

Abgefasst zwischen 1361 und 1375. Ich zitiere nach der Ausgabe Boccaccio, Giovanni: Tutte le opere, hrsg.<br />

von Branca, Vittore, Milano 2 1970.<br />

42<br />

»Que cum esset etate florens et forma satis egregia, a patre, Syphaci, potentissimo Numidie regi, in coniugium<br />

virgo copulata est; nec equidem desiderio regie affinitatis tantum; sed optabat vir sagax, instante Romanorum<br />

bello, non solum barbarum regem Romanis subtrahere, sed opere filie blandientis in partes Cartaginiensium<br />

adversus Romanos convertere; nec a precogitata fallacia deceptus est. Nam cum nuptias Syfax<br />

celebrasset, a premonita adolescentula, formositate favente, in tantum sue dilectionis ardorem tractus est, ut<br />

nil preter illam sibi carum aut delectabile arbitraretur Syphax.« (›<strong>Die</strong> junge und recht schöne Frau wurde von<br />

ihrem Vater mit Syphax, dem mächtigsten König Numidiens, verheiratet, weil er königliche Verwandtschaft<br />

wünschte und weil der scharfsichtige Mann den barbarischen König angesichts eines unmittelbar bevorstehenden<br />

Krieges mit den Römern den Feinden entfremden und durch den Einfluss seiner Tochter auf die karthagische<br />

Seite ziehen wollte. Er hatte mit seiner wohlbedachten Intrige Erfolg. Denn nach der Hochzeitsfeier<br />

wurde Syphax von der in die Intrige eingeweihten jungen Frau unter Einsatz ihrer Schönheit in einen solchen<br />

Liebestaumel versetzt, dass ihm nichts außer ihr lieb und erfreulich erschien.‹) LXX,2-3 (De Sophonisba regina<br />

Numidie)<br />

43<br />

»et sic, dum ureretur infelix et appareret Cornelium Scipionem ex Sycilia in Affricam [sic!] cum exercitibus<br />

traiecturum, Hasdrubalis monitu, Sophonisba blanditiis precibusque adeo Syphacis animum in desiderium<br />

suum traxit, ut, non solum Romanos relinqueret, quibus amicitie fidem prestiterat, et Cartaginensibus iungeretur,<br />

verum ultro alieni belli principatum assumeret.« (›Als erkennbar wurde, dass Cornelius Scipio mit seinen<br />

Heeren von Sizilien nach Afrika übersetzen würde, zog Sophonisbe auf Wunsch Hasdrub<strong>als</strong> den liebestollen<br />

Unglücklichen durch Schmeicheleien und Bitten so sehr in ihren Bann, dass er nicht nur die Römer im Stich<br />

ließ, mit denen er einen Freundschaftspakt geschlossen hatte, und sich mit den Karthagern verbündete, sondern<br />

sogar die Führung in diesem auswärtigen Krieg übernahm.‹) (LXX, 3)<br />

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