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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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X Exempla virtutis<br />

den. 49 Folgte das exemplum virtutis zunächst propagandistischen Absichten oder<br />

formulierte es politische Kritik, konnte es auch zur Affektmodulierung dienen und<br />

auf die moralische Wirkung beim Betrachter abheben. In den späten Versionen<br />

des 19. Jahrhunderts liegt das Hauptgewicht auf der absolut gesetzten Darstellung<br />

des Affekts.<br />

Exempla virtutis sind ein aus der Rhetorik stammendes Verweisverfahren, das in<br />

der Frühen Neuzeit unter zunächst neustoischen Vorzeichen auch in den Bild-<br />

künsten eine bedeutende Rolle gespielt hat. Allerdings erläutert der Verweis auf<br />

das Verfahren noch nicht den vom Künstler, seinem Auftraggeber oder den Be-<br />

trachtern beabsichtigten Sinn; das nur scheinbar transhistorische Tugendexempel<br />

muss immer in seiner konkreten künstlerischen Umsetzung und seiner historischen<br />

Funktion erfasst werden. Aus dem in dieser Untersuchung behandelten Bildkorpus<br />

lässt sich eine allgemeine Entwicklung ableiten, die auch zugleich das Ende wenn<br />

nicht des Historiengemäldes, so doch des Tugendexempels im Laufe des 19.<br />

Jahrhunderts erklären mag. Standen zu Beginn der neuzeitlichen Entwicklung<br />

Historienbilder <strong>als</strong> impliziter Vergleich im Vordergrund, die politische Normen und<br />

Ansprüche legitimieren und kritisieren konnten, traten schon früh andere Aktuali-<br />

sierungen der Tugendexempel auf, die neustoisch beeinflusst, Normen der Subjek-<br />

tivität und der Affektbeherrschung ins Bild setzten. Erst die Reduktion auf anthro-<br />

pologische Grundaffekte, wie sie sich in den ›Attitüden‹ der Spätaufklärung finden,<br />

vereinfachte den Tugendbegriff radikal zum Affekt, wie er sich in den ästhetischen<br />

Inszenierungen der späten Historiengemälde des 19. Jahrhunderts Ausdruck ver-<br />

schafft. Von der Tugend über den Affekt zur Attitüde verbrauchte sich das rhetori-<br />

sche Verfahren des exemplum virtutis ebenso wie das des Bildmotivs der Tugend-<br />

heldin. 50<br />

49 Vgl. oben, S. 165.<br />

50<br />

316

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