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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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IX Von der vertu zum Affekt<br />

Cassandra beweinen den Untergang Trojas; der Grieche Sinon verspottet die Trojaner.<br />

Der Schatten der Creusa verspricht Ascanio die Herrschaft über Italien. Venere<br />

bittet Fortuna, Enea in das verheißene Land zu führen. Der z w e i t e A k t<br />

spielt bereits in Karthago, wo Giunone und der Sturmgott Eolo das Schiff des Enea<br />

stranden lassen. Didone, noch immer ihrem Mann Sicheo nachtrauernd, verweigert<br />

die Heirat mit Iarba und berichtet ihrer Schwester Anna einen Unheil verkündenden<br />

Traum. In der Gestalt des Ascanio trifft Amore mit seinem Pfeil Didone; sie empfindet<br />

sogleich tiefe Liebe zu Enea, dem Venere in Gestalt einer Nymphe Hilfe verspricht.<br />

Drei Hofdamen kommentieren die Verliebtheit der Königin; der eifersüchtige<br />

Mitbewerber Iarba fällt in Wahnsinn. Im d r i t t e n A k t rät Anna der Schwester, eine<br />

Jagd <strong>als</strong> Anlass zu nehmen, ihren Gefühlen für Enea nachzugeben. <strong>Die</strong> Hofdamen<br />

treiben mit dem wahnsinnigen Iarba ihren Spott; ein Jägerchor beschreibt die Jagd,<br />

das hereinbrechende Gewitter und die Liebesszene in einer Höhle. Mercurio befiehlt<br />

den Aufbruch nach Italien; vergebens versucht die vor Schmerz in Ohnmacht<br />

fallende Didone Enea zurückzuhalten. Der Schatten des verstorbenen Ehemannes<br />

wirft ihr ihre Untreue vor. <strong>Die</strong> Hofdamen kommentieren den Aufbruch der Trojaner<br />

und die Verzweiflung der Königin, während Mercurio den Mitbewerber gesunden<br />

lässt. Das Ende ist freilich überraschend: Iarba verhindert Didones Selbstmord und<br />

heiratet die von Enea Verlassene.<br />

Cavalli und sein Librettist B u s e n e l l o übernehmen die Vorlage Vergils in bemer-<br />

kenswerter Stoff-Fülle. Das Libretto stellt, hierin an die mythologischen Themen<br />

der ersten Opern des beginnenden Seicento erinnernd, ausführlich das Eingreifen<br />

der Götter dar, <strong>als</strong> deren bloßer Spielball alle handelnden Personen erscheinen.<br />

Erst im letzten Akt tritt die Affäre zwischen Enea und Didone in den Mittelpunkt.<br />

Allerdings werden Didone und Enea nicht <strong>als</strong> Liebespaar gezeigt; die Liebesszene<br />

selbst wird nur indirekt vom Chor geschildert. Im Mittelpunkt stehen so nicht die<br />

Affekte der Liebenden, sondern das Eingreifen der Götter in die menschlichen Be-<br />

lange und die Verheißung Italiens (»imperio d’ Italia, anzi del mondo«). Dramatisch<br />

verkündet Mercurio den Ratschluss des Göttervaters, auf den Enea gelassen und<br />

gehorsam reagiert; gegen die Verzweiflung Didones setzt er seine welthistorische<br />

Rolle. <strong>Die</strong> Opernhandlung verbindet Heroisches mit Komischem: Zwei Lamento-<br />

Szenen (für Cassandra und Ecuba) und zwei Ombra-Szenen (für Creusa und Si-<br />

cheo) kontrastieren mit komischen, an das elisabethanische Theater erinnernden<br />

und auf die opera buffa 28 vorausweisenden Szenen. So unterbrechen sowohl der<br />

in Troja zurückgebliebene Grieche Sinon <strong>als</strong> auch die mehrfach auftretenden Hof-<br />

damen in Possenszenen den Spannungsbogen. 29 Hervorzuheben ist, dass Buse-<br />

nello das dramatische Ende der Vergilischen Dido-Episode nicht zu übernehmen<br />

28<br />

<strong>Die</strong>se heitere Opernvariante gibt es erst im 18. Jahrhundert; vgl. Schmierer, Elisabeth: Kleine Geschichte<br />

der Oper, Stuttgart 2001, S. 27.<br />

29<br />

Zur musikalischen Zeichnung der Protagonisten und zu ihrem Tonumfang vgl. Schulze, Hendrik: Odysseus<br />

in Venedig, Sujetwahl und Rollenkonzeption in der venezianischen Oper des 17. Jahrhunderts, Frankfurt/Main<br />

2004, S. 221-236.<br />

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