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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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VIII Tema con variazioni – Bildprogramme<br />

Zum Verständnis der höfischen Bedeutung des Motivs der ›starken Frauen‹ ist auch<br />

ein Blick auf die Gebrauchskunst hilfreich. Spielkarten griffen bereits früh das Motiv<br />

der preux und der preuses auf; besonders ein von Jean Desmarets de Saint-Sorlin<br />

konzipiertes und von Stefano della Bella (1644) gestochenes, aus 52 Karten bestehendes<br />

Kartenspiel ist interessant, das ein vollständiges Repertorium berühmter<br />

Herrscherinnen darstellt (Jeu de Cartes des Reines renommées de la Géographie et<br />

de l’Histoire). Es war für den jungen Ludwig XIV. bestimmt und stellte auch Dido und<br />

Kleopatra dar. 124<br />

Das Thema der ›femmes illustres‹ findet sich schon seit dem Spätmittelalter in Tapisserie-Programmen.<br />

125 <strong>Die</strong> Beliebtheit der ›starken Frauen‹ unter der Regentschaft<br />

der Anne d’Autriche belegt auch eine Teppichserie (heute in Châteaudun) mit berühmten<br />

Frauen des Altertums, die wohl vom schon genannten Charles Poerson<br />

entworfen wurde. Sie könnte in den Fünfziger Jahren des 17. Jahrhunderts entstanden<br />

sein und integriert Dido, Lukretia, Porzia und Kleopatra. 126 Hervorzuheben ist<br />

des Weiteren eine Teppichserie nach Kartons von Jacob Jordaens mit dem gleichen<br />

Thema; sie findet sich auch in Nachlassinventaren Mazarins und hat Kleopatra<br />

ebenso wie Dido aufgenommen. 127<br />

4 ›La gallerie des femmes fortes‹<br />

Seit Caterina de’ Medici hielten in Frankreich die Kontroversen über weibliche Re-<br />

gentschaften an und verbanden sich rasch mit der die Frühe Neuzeit begleitenden<br />

querelle des femmes, in der über die moralische und gesellschaftliche Stellung der<br />

Frau gestritten wurde. 128 Schon das auslösende Pamphlet Alphabet de<br />

l’imperfection et malice des femmes (1617) stand offensichtlich mit beiden Aspek-<br />

ten der politischen und zugleich anthropologisch-moralischen ›Frauendebatte‹ im<br />

Zusammenhang. <strong>Die</strong> wohl von dem Franziskaner Alexis Trousset stammende<br />

Schrift 129 nahm bereits im Frontispiz eindeutig Stellung: »Virum de mille unum re-<br />

peri: mulierem ex omnibus non inveni« (Ecl 7,29) 130 und löste mit ihrer misogynen<br />

Tendenz eine Kaskade von Streitschriften aus. <strong>Die</strong> zugleich publizistisch und iko-<br />

nographisch ausgetragene Debatte über die Herrscherrolle von Frauen erreichte<br />

nach dem Beginn der Regentschaft von Anne d’Autriche (1643) einen neuen Hö-<br />

hepunkt, ohne den der Erfolg der Femme heroïque von Du Bosc (1645) und der<br />

124<br />

Vgl. Richard-Jamet, a.a.O., S. 175 und 278ff., Abb. 210-213 und AK <strong>Die</strong> Galerie der Starken Frauen,<br />

a.a.O., S. 160-161 und Staatliche Kunsthalle Karlsruhe AK Stefano della Bella, Karlsruhe 2005, S. 78. Della<br />

Bella hat im Auftrag Mazarins insgesamt vier Kartenspiele für den Dauphin entworfen.<br />

125<br />

Vgl. Richard-Jamet, a.a.O., S. 175ff.<br />

126<br />

Vgl. Richard-Jamet, a.a.O., S. 182ff. und S. 531ff.<br />

127<br />

Vgl. Richard-Jamet, a.a.O., S. 185f. und S. 529.<br />

128<br />

<strong>Die</strong> gesamteuropäischen Zusammenhänge erörtert Ferrari Schiefer, Valeria: La Belle Question, <strong>Die</strong> Frage<br />

nach der Gleichheit der Geschlechter bei François Poullain de la Barre (1647-1723) auf dem Hintergrund der<br />

(früh-)neuzeitlichen Querelle des Femmes, Luzern 1998 (Theologie in Geschichte und Gesellschaft 8). Vgl.<br />

Maclean, a.a.O., S. 25ff.<br />

129<br />

Alle weiteren Auflagen erschienen aber unter dem Verfassernamen Jacques Olivier; es handelt sich um die<br />

Amplifikation einer Schrift des Florentiner Bischofs Antoninus (Antonio Pierozzi de' Forciglioni 1389-1459).<br />

130<br />

›Unter tausend Männern habe ich einen gefunden, aber unter allen Weibern fand ich nicht eine einzige.‹<br />

Unter dem Eingangszitat spielt die Abbildung einer vornehmen, zeitgenössisch gekleideten Dame, die deutlich<br />

Porträtzüge von Maria de’ Medici zeigt, erkennbar auf die Gemeinte an (nach Baumgärtel, a.a.O., S. 148).<br />

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