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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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IV Liebe, Patriotismus und Selbstbestimmung: Sophonisbe <strong>als</strong> <strong>Tugendheldin</strong><br />

sich in Theorie und Praxis mit der Darstellung und der Systematisierung der Affekte.<br />

Der Comte de Caylus lobte 1759 sogar einen prix d'expression aus. <strong>Die</strong> Verbildlichung<br />

der Affekte wurde so im 17. und 18. Jahrhundert zu einer wichtigen Aufgabe<br />

der Historienbilder.<br />

Auch in der Wiedergabe der Sophonisbe trat nunmehr der psychologische Aspekt<br />

in den Vordergrund. <strong>Die</strong> Repräsentation der Affekte bestimmt die Darstellung der<br />

<strong>Tugendheldin</strong> ebenso wie die der Assistenzfiguren; unverkennbar hat die breite<br />

Rezeption des Stoffes auf der Bühne das Spektrum der dargestellten Affekte im<br />

Historienbild erweitert. 163<br />

Einige Gemälde stellen mit durchaus differierenden Lösungen den Augen-<br />

blick dar, in dem Sophonisbe durch einen Boten Botschaft und Gift erhält. 164 Niko-<br />

laus K n ü p f e r (1603-1655) 165 hat die<br />

Szene [Abb. 22] ins Bürgerliche gewen-<br />

det: in einer Guckkastenbühne wird ein<br />

gediegener Wohnraum mit Bett gezeigt.<br />

Drei <strong>Die</strong>nerinnen reagieren mit Angst,<br />

Entsetzen und Mitleid auf das Schicksal<br />

der Protagonistin. Von einem Pagen<br />

Abb. 22<br />

begleitet verlässt der Überbringer des Giftes soeben die Szenerie, in der wiederum<br />

der Giftbecher eine zentrale Stelle erhalten hat. Simon V o u e t (1590-1649) 166 hin-<br />

gegen ordnet im Breitformat [Abb. 23] Sophonisbe und ihre Assistenzfiguren, eine<br />

zentrale Rolle im Bildgeschehen zugewiesen, die allerdings durch den intensiven<br />

und beinahe liebevollen Blickkontakt zwischen der Königin und dem Boten kontre-<br />

balanciert wird. <strong>Die</strong> Lösung von R e m b r a n d t s Gemälde im Prado 167 besticht<br />

ronischen <strong>Die</strong>nst der Bibliothèque Nationale de France am einfachsten zu konsultieren<br />

(http://visualiseur.bnf.fr/Visualiseur?Destination=Gallica&O=NUMM-8496; zuletzt aufgerufen: 22.02.2007)<br />

163<br />

Vgl. oben S. 70ff.<br />

164<br />

Siehe dazu die keineswegs vollständige Liste bei Pigler (a.a.O., S. 413-415), der häufig mit seinen Zuweisungen<br />

(Sophonisbe oder Artemisia) f<strong>als</strong>ch entscheidet. Von Pigler nicht erfasst sind Buchillustrationen, wie<br />

zum Beispiel die von Sandrart gestochene Titelillustration für das Trauerspiel Sophonisbe in der dritten Sammelausgabe<br />

von Daniel Casper von Lohensteins Werken, Breslau, Fellgiebel, 1689 (Abbildung im Auktionskatalog<br />

Bassenge, Ende 2000/Anfang 2001, Berlin 2001, Nr.1846).<br />

165<br />

Vgl. Katalog 193.<br />

166<br />

Vgl. Katalog 427.<br />

167<br />

Vgl. Katalog 307. <strong>Die</strong> kürzlich von Golahny, Amy (»Rembrandt's Artemisia: Arts Patron«, in: Oud Holland<br />

114 [2000], S. 139-154) vertretene Auffassung, es handle sich bei Rembrandts Gemälde um eine Artemisia,<br />

kann nicht überzeugen. Golahny misst dem auf einem Tisch liegenden Folianten eine ebenso große Bedeutung<br />

zu wie dem Nautiluspokal und nimmt an, Artemisia werde hier <strong>als</strong> Vollstreckerin des Testaments ihres<br />

Mannes Mausolos und <strong>als</strong> Patronin der ›schönen Künste‹ inszeniert. In der geläufigen ikonographischen Tradition<br />

wird Artemisia allerdings beim Trinken des Bechers mit der Asche ihres Ehemanns, gleichsam <strong>als</strong> ›lebendes<br />

Grabmahl für die Asche des Ehemannes‹ dargestellt. <strong>Die</strong> Beweisführung für die neue Deutung scheint mir<br />

weder durch literarische noch ikonographische Traditionen gesichert zu sein. Ich halte deshalb an der opinio<br />

communis (so J. Bruyn u.a.: A Corpus of Rembrandt Paintings, The Hague 1982, Bd. 1, S. 504-510) fest, dass<br />

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