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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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VIII Tema con variazioni – Bildprogramme<br />

haltliche Differenzen bilden den Reiz der Pendantbildung (»hoe verschillender, hoe<br />

beter en aangenaamer«).<br />

<strong>Die</strong> überraschende Beschränkung der Pendants auf Landschaftsbilder und der implizite<br />

Ausschluss der Historienmalerei bei Lairesse wird in einem gewissen Umfang<br />

von den empirischen Untersuchungen von Moiso-<strong>Die</strong>kamp zu den Pendants 161 der<br />

holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts bestätigt. Immerhin lässt der Sonderfall<br />

der Seitenstücke die Möglichkeit zu, Pendants auf beiden Seiten eines größeren und<br />

thematisch unabhängigen Mittelstücks <strong>als</strong> ›Begleiter‹ zu hängen. Im niederländischbürgerlichen<br />

Bereich wurden Pendants offensichtlich <strong>als</strong> thematische Gegensätze<br />

(Arm-Reich, Morgen-Abend, Tugend-Laster, Land-See) oder <strong>als</strong> thematische Ergänzungen<br />

(Verkündigung und Anbetung, Christus und Maria, verschiedene Musikanten)<br />

aufgefasst, aber auch zur Eskortierung eines Historiengemäldes eingesetzt,<br />

das, zwischen zwei kleinere Pendants gehängt, durch seine größeren Maße die<br />

Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zog. Unabhängig davon, ob Pendants im<br />

bürgerlichen Haushalt <strong>als</strong> Zweiergruppe oder <strong>als</strong> ›Begleiter‹ eines thematisch heterogenen<br />

Mittelstücks eingesetzt wurden, lag ihr ästhetischer Reiz in der Gleichzeitigkeit<br />

von ›Differenz‹ und ›Korrespondenz‹.<br />

Felix Thürlemann hat neuerdings auf die semiotische Funktion von Pendant-<br />

Hängungen hingewiesen und sie <strong>als</strong> »metatextliches Konstrukt« bezeichnet, das<br />

<strong>als</strong> übergreifender semantischer Zusammenhang (»hypersign«) den Blick des Be-<br />

trachters lenke. 162 Nicht immer sind die semantischen Beziehungen freilich so evi-<br />

dent wie bei der bekannten Gegenüberstellung von Demokrit und Heraklit <strong>als</strong> wei-<br />

nendem und lachendem Philosophen. 163 <strong>Die</strong> Zusammenstellung einer Lukretia und<br />

einer Judith lässt gegenüber dem Vergleich zweier philosophischer Grundeinstel-<br />

lungen zweifellos größere Deutungsspielräume zu. 164<br />

Auch in fürstlich-repräsentativen Galerien wurden wie in niederländischen Bürgerhäusern<br />

Genre, Landschaften, Jahreszeiten und Paare <strong>als</strong> Themen für Pendants<br />

bevorzugt. 165 Allerdings unterscheiden sich fürstliche Galerien durch eine weitere<br />

Gruppe, die sich in bürgerlichen Sammlungen nicht finden: auch Historienbilder wur-<br />

Landschafft mit Wäldern, und gegen über angebrachten hübschen Ufers eines Flusses, und eines annehmlichen<br />

Prospects suche?«)<br />

161 <strong>Die</strong> Begriffe paire, Gegenstücke, Nebenbilder, Seitenstücke, tegenhangers, wedergaas, companion pictures,<br />

counterparts, quadri di riscontro, quadri compagni, paio, compañeros, parejas werden mit gleicher Bedeutung<br />

verwendet und spiegeln die gegenseitige Bezogenheit in Format und Thema. (Moiso-<strong>Die</strong>kamp, a.a.O., S.<br />

16-22)<br />

162 Thürlemann, Felix: »Vom Sinn der Ordnung, <strong>Die</strong> Bildersammlung des Frankfurter Konditormeisters Johann<br />

Valentin Prehn (1749-1821)«, in: Assmann A./ Gomille, M./ Rippl, G. (Hrsg.): Sammler Ŕ Bibliophile Ŕ Exzentriker,<br />

Tübingen 1998, S. 315-324; hier S. 319: »Zum anderen ist jede Zusammenstellung bedeutungstragender<br />

Objekte zu einem syntaktisch geordneten neuen Gebilde mehr <strong>als</strong> die Addition der Teile. <strong>Die</strong> Zusammenstellung<br />

etwa zweier Bilder aktualisiert in einem Spiel von Analogien und Differenzen semantische Kategorien, die<br />

die Lektüre der betroffenen Werke in ganz bestimmte Richtungen lenkt.«<br />

163 Vgl. Weisbach, Werner: »Der sog. Geograph von Velasquez und die Darstellungen des Demokrit und des<br />

Heraklit«, in: Jahrbuch der preußischen Kunstsammlungen 49 (1928), S. 141ff.<br />

164 So schreibt Gerlinde Volland skeptisch zu zwei Blättern von Nicolas-Gabriel Dupuis (1695-1771), die eine<br />

Lukretia und eine Judith Renis wiedergeben: »<strong>Die</strong> Verbindung zwischen Lukretia und Judith besteht u.a. darin,<br />

dass beide eine Bluttat begehen, um höherer, transzendentaler Werte willen. Ob der Gegensatz in der Darstellung<br />

der leidenschaftlichen heidnischen Heldin und der in sich ruhenden christlichen auch inhaltliche Wertungen<br />

impliziert, muß dahin gestellt bleiben.« (in: AK <strong>Die</strong> Galerie der Starken Frauen, a.a.O., S. 310)<br />

165 Im Herzog Anton Ulrich-Museum sind 95 Pendants in verschiedenen Bildgattungen nachzuweisen: biblische<br />

Themen (11), Heilige (2), Mythos und antike Geschichte (13), Genre (22), Landschaften (20), Stilleben<br />

(6), Porträts (Mann/Frau) (19), Porträts (Mann/Mann) (2).<br />

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