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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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III Bildthemen exemplarischen Sterbens<br />

›Sitz im Leben‹ 43 des ikonographischen Musters und auf seine Umbesetzungen im<br />

Laufe der Rezeptionsgeschichte ankam. Wichtiger erschien es, die literarische und<br />

dabei vor allem die theatralische Tradition mit heranzuziehen sowie punktuell den<br />

Vergleich mit den anderen ikonographischen Mustern ›schönen Sterbens‹ (Märty-<br />

rer, Helden und Philosophen) zu suchen. Auch galt meine Aufmerksamkeit dem<br />

Übergang des Motivs der <strong>Tugendheldin</strong> in andere künstlerische Gattungen wie<br />

Oper, Kantate 44 und Attitüde 45 .<br />

Auch die Frage nach Publikum und Auftraggeber der Bilder wird verschie-<br />

dentlich aufgegriffen 46 und der ausführliche Versuch gemacht, den neustoischen<br />

Hintergrund 47 sowohl der eigenartigen ikonographischen Konzeption <strong>als</strong> auch der<br />

bemerkenswerten moralischen Umbesetzung des Selbstmords wahrscheinlich zu<br />

machen. Beliebig verfügbar wurden die Bildmotive erst mit dem Verschwinden die-<br />

ses neustoischen Hintergrunds. 48<br />

Es bleibt bemerkenswert, dass sich trotz gründlicher Recherchen 49 nur we-<br />

nig Reproduktionsgraphik für den hier untersuchten Bildbereich nachweisen<br />

lässt. 50 Vielleicht erklärt sich dieser Sachverhalt zumindest teilweise aus der komp-<br />

lexen Verweisstruktur und Intertextualität des zugrunde liegenden ikonographi-<br />

schen Musters. Als Auftraggeber der Historiengemälde ist, jedenfalls für das 16.<br />

und 17. Jahrhundert, ein elitärer Kreis humanistisch Gebildeter anzunehmen, dem<br />

die moralischen Deutungen der Bildkonzeption durchsichtig waren, deren gelehrte<br />

Themen sich wohl gegen eine Popularisierung sperrten. 51<br />

Das im Folgenden untersuchte ikonographische Muster entstand in der Epochen-<br />

schwelle zur Frühen Neuzeit mit der Erweiterung der Bildthemen der Historienma-<br />

43 <strong>Die</strong>ser Begriff wurde in der Bibelexegese entwickelt und bezeichnet dort die liturgische, frömmigkeitsgeschichtliche<br />

und gruppensoziologische Funktion biblischer Erzählstrukturen, Gattungen und Motive.<br />

44 Vgl. unten, S. 284ff.<br />

45 Vgl. 294ff.<br />

46 So u. a. S. 202ff. und S. 225ff.<br />

47 Besonders unten S. 198ff.<br />

48 Vgl. unten S. 294ff.<br />

49 An dieser Stelle sei Gerd Unverfehrt (Göttingen) für Hinweise auf verschiedene, wenn auch vergebliche,<br />

Recherchewege gedankt.<br />

50 Allerdings spielten graphische Vorlagen bei der Entstehung des ikonographischen Musters eine gewisse<br />

Rolle (vgl. S. 79ff.).<br />

51 Der direkte Versuch, die Themengruppe ›<strong>Selbstmörderin</strong> <strong>als</strong> <strong>Tugendheldin</strong>‹ in der Reproduktionsgraphik<br />

nachzuweisen, war ebenso erfolglos, wie eine Recherche, die vom Korpus der besprochenen Historienbilder<br />

ausgehend, einschlägige Graphik suchte. Eine Ausnahme stellen einige ›starke Frauen‹ von Reni dar. Der<br />

spezifische Stil Renis und die halb- oder ganzfigurige Nacktheit von (Nummern nach Pepper, Stephen: Guido<br />

Reni, L’opera completa, Novara 1988) Porzia (96), Lukretia (97) und Kleopatra (101, 111, 173) ließen die<br />

Frauengestalten in mehreren Drucken Verbreitung finden. Auf den typischen Stil Renis, der seine ›starken<br />

Frauen‹ ganz der historischen Situation enthob und nur über das Attribut der Schlange oder des Dolches einen<br />

schwachen Hinweis auf die Gemeinte gab, wird S. 216ff. ausdrücklich eingegangen.<br />

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