21.06.2013 Aufrufe

Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

VIII Tema con variazioni – Bildprogramme<br />

den <strong>als</strong> Pendants gehängt. 166 Schon die Bildformate weisen darauf hin, dass die<br />

Gemälde für repräsentative Räumen bestimmt waren; oft lässt sich die ursprüngliche<br />

Hängung in der Galerie noch ermitteln. In diesem Zusammenhang finden sich auch<br />

Beispiele aus dem Themenbereich des ›schönen Sterbens‹.<br />

Während in bürgerlichen Sammlungen das Motiv der ›<strong>Selbstmörderin</strong> <strong>als</strong> Tugend-<br />

heldin‹ wohl vorwiegend <strong>als</strong> Einzelstück 167 das Zentrum einer Wanddekoration bil-<br />

den mochte, konnte es in aristokratischen und höfischen Galerien zusammen mit<br />

einem Pendant eine Sinneinheit bilden oder ein Historiengemälde mit anderer<br />

Thematik ›eskortieren‹. Wohl nur im höfischen Zusammenhang sind sterbende Tu-<br />

gendheldinnen in drei deutlich gegeneinander abgrenzbaren Arrangements nach-<br />

zuweisen: <strong>als</strong> Einzelstücke, <strong>als</strong> Gruppen im Sinne von zwei sich thematisch aufein-<br />

ander beziehenden Pendants oder <strong>als</strong> Gegenstücke, die links und rechts von ei-<br />

nem größeren, thematisch unterschiedlichen Historiengemälde gehängt wurden.<br />

Gemälde aus dem Motivkreis des Tugendtodes wurden von einem bürgerlichen<br />

Publikum offensichtlich anders <strong>als</strong> von einem aristokratischen Publikum betrachtet<br />

und bewertet.<br />

Pendantbildungen mit <strong>Selbstmörderin</strong>nen <strong>als</strong> <strong>Tugendheldin</strong>nen sind im Üb-<br />

rigen selten nachweisbar. 168 Wie aus der folgenden Zusammenstellung hervorgeht,<br />

scheinen sich immerhin auf den ersten Blick drei Grundtypen unterscheiden zu<br />

lassen: Pendants mit zwei verschiedenen <strong>Tugendheldin</strong>nen, Zusammenstellungen<br />

verschiedener Bildmotive derselben <strong>Tugendheldin</strong> und Verdoppelungen des glei-<br />

chen Bildmotivs. Daneben tritt die vergleichende Pendantbildung von männlichen<br />

und weiblichen Tugendhelden auf. 169<br />

Albrecht Dürer<br />

(1471-1528)<br />

Peter Candid<br />

(ca. 1548-1628)<br />

Tod der Lukretia 170<br />

Tod des Cato Uticensis 171<br />

beide 168 x 74,8<br />

(ganzfigurig)<br />

München: Alte Pinakothek<br />

verloren 172<br />

166 Vgl. unten, S. 262.<br />

167 So das Gemälde Vouets (Sophonisbe erhält den Giftbecher), das ursprünglich in die Sammlung des<br />

Amsterdamer Bürgermeisters Willem Six gehörte und 1734 versteigert wurde. Auch das thematisch entsprechende<br />

Gemälde Renieris stammt aus einer bürgerlichen Sammlung (vgl. unten, Anm. 205).<br />

168 Vorarbeiten fehlen, da Sammlungskataloge auf Pendant-Hängungen in der Regel nicht eingehen. <strong>Die</strong> oben<br />

erwähnte Untersuchung von Cornelia Moiso-<strong>Die</strong>kamp (vgl. Fußnote 8) ist für profane <strong>Tugendheldin</strong>nen nicht<br />

einschlägig, weil es sich um ein Bildmotiv handelt, das vorwiegend in aristokratischen Kreisen beliebt war.<br />

169 Natürlich finden sich auch Zusammenstellungen zweier männlicher Tugendhelden. So setzt Sebastiano<br />

Conca mit dem Tod des Seneca und dem Tod des Cato (Braunschweig: Herzog Anton Ulrich-Museum, beide<br />

61,5 x 75,5) zwei Ikonen stoischer Philosophie ins Bild und vergleicht die modi moriendi.<br />

170 Katalog 110. Es handelt sich hier nur sehr indirekt um eine Pendant-Bildung: Der eigenartige Zusammenhang<br />

beider Bilder entstand, weil die anstößige Nacktheit der Dürerschen Lukretia vom Kurfürsten dadurch<br />

kaschiert wurde, dass zunächst eine Cato-Darstellung Candids, dann das (aus demselben Grund retouchierte)<br />

Bild Cranachs mit dem gleichen Sujet ›vorgehängt‹ wurde. »Im frühen 17. Jahrhundert diente Cranachs Lucretia,<br />

deren Körper mit einem roten Kleid züchtig übermalt war, <strong>als</strong> Verschlusstür für Dürers Gemälde. Ein weitere<br />

moralische Komponente war ins Spiel gekommen: Nacktheit hatte im prüden Klima des Münchner Hofs ihre<br />

humanistische Unschuld verloren.« (Schawe, Martin: Alte Pinakothek, München 2006, S. 120) Siehe oben S.<br />

128.<br />

262

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!