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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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IV Liebe, Patriotismus und Selbstbestimmung: Sophonisbe <strong>als</strong> <strong>Tugendheldin</strong><br />

durch ihre raffinierte Lichtregie: eine<br />

jugendliche Sophonisbe nimmt in Drei-<br />

viertelfigur und frontal beinahe den ge-<br />

samten Bildraum ein [Abb. 24]. Das von<br />

links einfallende Licht betont den in<br />

Gold montierten Nautiluspokal ebenso<br />

wie die Lichtgestalt der Empfängerin,<br />

deren Blick ruhig über die von hinten<br />

und im verlorenen Profil gegebene <strong>Die</strong>-<br />

nerin hinweggeht. Der dunkle Hinter-<br />

grund, vor dem sich nur undeutlich<br />

Draperien und eine ältere <strong>Die</strong>nerin ab-<br />

heben, verstärkt die isolierte Gelassen-<br />

heit der in einem Sessel sitzenden Kö-<br />

nigin. In den Schnittpunkt der Diagona-<br />

len ist der Pokal mit dem todbringenden<br />

Gift gesetzt. Bei allen Differenzen in<br />

Aufbau, Ambiente und Personal wird<br />

von beiden Künstlern die Unbeirrbarkeit<br />

Abb. 23<br />

Abb. 24<br />

der Hauptperson vor Augen geführt und die Peripetie des Geschehens neu be-<br />

stimmt. Als bilddramatischer ›Umschlagspunkt‹ wird die Übergabe des Gifts durch<br />

den Boten gewählt, während in der Gruppe der Halbfigurenbilder, die auf den grö-<br />

ßeren narrativen Zusammenhang verzichtet, Sophonisbe bereits allein oder allen-<br />

falls mit einer <strong>Die</strong>nerin gezeigt wird.<br />

<strong>Die</strong> Historienmalerei ist in ihrer B i l d d r a m a t u r g i e auf den »fruchtbaren Augenblick«<br />

168 angewiesen, der dem Betrachter die moralische Problematik der histori-<br />

es sich um eine Sophonisbe handelt. Im Katalog der Amsterdamer Ausstellung Rembrandt Ŕ Caravaggio<br />

(2006) wird zwar die Hauptfigur des Gemäldes richtig gedeutet, gleichwohl in der Objektbeschreibung des<br />

Gemäldes irrtümlich behauptet, der Giftbecher werde von Massinissa gereicht:: »Als das Gemälde im 18.<br />

Jahrhundert in Spaniens königliche Sammlung gelangte, wurde die junge Frau <strong>als</strong> Artemisia, Frau und<br />

Schwester des Königs Mausolos, bezeichnet. […] Zu Beginn des 20. Jahrhunderts meinte man, in der Königin<br />

Sophonisbe eine weitere Figur aus der klassischen Antike, zu erkennen. Sophonisbe gab lieber ihr Leben für<br />

ihren geliebten Ehemannn Massinissa, indem sie Selbstmord beging, <strong>als</strong> in die Hände des römischen Gener<strong>als</strong><br />

Scipio zu fallen. Sollte diese Interpretation zutreffen, so hat Rembrandt genau den Moment gewählt, bevor<br />

Sophonisbe den Giftbecher trinkt, den Massinissa ihr reicht. Was auch immer die Wahrheit sein mag, beide<br />

Frauenfiguren [Artemisia oder Sophonisbe] stehen Modell für die weiblichen Tugenden der ehelichen Treue<br />

und Selbstaufopferung. Rembrandt stellt den Moment dar, in dem die Frau über ihr eigenes Schicksal entscheidet.«<br />

(Taco Dibbits in: Bull, Duncan [Hrsg.] AK Rembrandt Ŕ Caravaggio, Stuttgart 2006, S. 136).<br />

168 <strong>Die</strong>sen Begriff verwendet Lessing in seinem »Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie«<br />

(1766), um die Phase einer Handlung oder Handlungsabfolge zu bezeichnen, die der Künstler in der Absicht<br />

auswählt, dem Betrachter die imaginative Konstitution der Gesamthandlung zu ermöglichen. Der »Augenblick«<br />

muss im Bild das Ganze umfassen, aber auch so »fruchtbar« sein, dass er auf die vorausgehenden und nach-<br />

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