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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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VIII Tema con variazioni – Bildprogramme<br />

und 1333 entstanden sein. Ein Aufenthalt Giottos in Neapel ist für diese Jahre belegt,<br />

allerdings sind die Quellen im Detail widersprüchlich oder doch ungenau. In<br />

der Giotto-Biographie Vasaris findet sich keine nähere Angabe zum Sujet, auch bei<br />

Ghiberti ist nur die Rede von den huomini famosi, die Giotto in der sala del re Uberto<br />

gemalt habe. 23<br />

So wird die Thematik des Freskenzyklus meist aus neun ekphrastischen Sonetten<br />

des 14. Jahrhunderts rekonstruiert. <strong>Die</strong> anonymen Gedichte 24 scheinen unter reichlicher<br />

Verwendung dantesken Sprachmateri<strong>als</strong> die Gegenstände des Freskenzyklus<br />

zu beschreiben. Allerdings sind die neun sonetti ritornellati in keiner Handschrift<br />

zusammen überliefert. Es ist <strong>als</strong>o nicht einmal gesichert, dass Giotto im Castelnuovo<br />

wirklich neun Helden (Alexander, Solomon, Hektor, Äneas, Achilles, Paris, Herkules,<br />

Samson und Cäsar) dargestellt hat. <strong>Die</strong> Sonette sind jedenfalls zu umfänglich,<br />

um <strong>als</strong> subscriptiones gedient zu haben. Gleichwohl hält Christiane Joost-<br />

Gaugier 25 den so rekonstruierten Zyklus für eine »visual inauguration of what was<br />

to become a major ideological preoccupation of Renaissance literati, humanists,<br />

princely patrons and artists«.<br />

Auch die Bezüge zu Petrarca sind nicht so eindeutig, wie sie gelegentlich dargestellt<br />

werden. Joost-Gaugier weist darauf hin, dass Petrarcas De viris illustribus<br />

n a c h Giottos Freskierung der neapolitanischen sala grande entstanden sein müsse,<br />

kann allerdings belegen, dass Robert von Anjou und Petrarca sich bereits vor<br />

1330 kannten. Mit einiger Wahrscheinlichkeit mag deshalb davon ausgegangen<br />

werden, dass Petrarca konzeptuell an Giottos Darstellung der uomini famosi beteiligt<br />

war. Bei einem späteren Freskenzyklus, der nach 1367 in Padua für Francesco<br />

da Carrara (il Vecchio) ausgeführt wurde und der ebenfalls verloren ist, darf der<br />

Einfluss Petrarcas hingegen <strong>als</strong> sicher vorausgesetzt werden. 26 Umso gewichtiger<br />

ist es, dass dort weibliche Begleitpersonen der uomini famosi offenbar fehlten.<br />

Geradezu <strong>als</strong> sich verselbständigender kunsthistorischer Mythos hat sich die Auf-<br />

fassung durchgesetzt, die neun uomini famosi seien in Giottos neapolitanischem<br />

Zyklus von ihren ›Ehefrauen‹ begleitet worden. 27 Noch Richard-Jamet vertritt diese<br />

Auffassung in etwas abgeschwächter Form: »Certains auteurs ont établi que ces<br />

23<br />

»Molto egregiamente dipinse la sala del re Uberto de’ huomini famosi, in Napoli, dipinse nel castello dell’<br />

uovo.« (Ghiberti, Lorenzo: I commentarii, hrsg. von Bartoli, Lorenzo, Firenze 1998, S. 84).<br />

24<br />

Blasiis, Giuseppe de: »Immagini di uomini famosi in una sala di Castelnuovo«, in: Napoli nobilissima, 9<br />

[1900], S. 65-67.<br />

25<br />

Joost-Gaugier, a.a.O., S. 317<br />

26<br />

Hierzu: Mommsen, Theodor E.: »Petrarch and the Decoration of the Sala Virorum Illustrium in Padua«, in:<br />

The Art Bulletin 34 (1952), S. 95-116. Mommsen stützt sich vor allem auf den Briefwechsel Petrarcas mit Francesco<br />

da Carrara zwischen 1361 und 1374. Wie aus dem Proömium (»Illustres quosdam viros, quos excellenti<br />

gloria floruisse doctissimorum hominum ingenia memorie tradiderunt, in diversis voluminibus tanquam sparsos<br />

ac disseminatos r o g a t u t u o , plaustrifer insignis, qui modestissimo nutu inclite urbis Patavine sceptra unice<br />

geris, locum in unum colligere et quasi quodammodo stirpare arbitratus sum.«) hervorgeht, veranlasste wohl<br />

Francesco da Carrara Petrarca zunächst einzeln konzipierte Biographien in De viris illustribus zusammenzustellen.<br />

Da das Proömium nicht vor 1367 entstanden sein kann, die Fresken der sala aber nach Mommsen (S.<br />

98, Fußnote 33) bereits 1370 über Padua hinaus bekannt waren, kann Petrarcas Einfluss auf dieses Programm<br />

<strong>als</strong> sicher gelten. Am Ende des 15. Jahrhunderts oder zu Beginn des 16. Jahrhunderts hat wohl ein<br />

Brand die Halle und ihre Ausmalung zerstört, wie Untersuchungen anlässlich einer Restaurierung 1928 ergaben.<br />

1539 wurde die Halle wieder hergestellt und erneut mit viri illustres der Antike freskiert. <strong>Die</strong>se Dekoration<br />

des 16. Jahrhunderts ist der eigentliche Gegenstand der Untersuchung Mommsens. Das spätere Programm<br />

stellt die viri illustres ohne weibliche Begleitpersonen dar, so dass dies wohl auch für das ursprüngliche gelten<br />

mag.<br />

27<br />

Joost-Gaugier hat ihre Beschreibung »in the company of their women« (a.a.O., S. 317) wohl von Mommsen<br />

übernommen, der zunächst davon spricht, wahrscheinlich seien auch die Ehefrauen der Helden dargestellt<br />

worden: »Their wives were probably <strong>als</strong>o represented.« Wenig später wird dies kühn <strong>als</strong> Tatsache vorausgesetzt:<br />

»In regard to the pictures of the strange ›Nine Worthies‹ and their wives in the Castelnuovo at Naples<br />

[…]« (a.a.O., S. 113 und 116).<br />

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