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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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IV Liebe, Patriotismus und Selbstbestimmung: Sophonisbe <strong>als</strong> <strong>Tugendheldin</strong><br />

Der vermeintlich gefallene Siface wird <strong>als</strong> römischer Gefangener in den Palast gebracht<br />

und schwört, an seiner Gattin Rache zu nehmen. Der zweite Akt bringt die<br />

Wendung: Im Anblick ihrer beiden Kinder versöhnen sich Sofonisba und Siface.<br />

Massinissa wird überwältigt, <strong>als</strong> er aus Eifersucht Siface töten will, doch rettet das<br />

Eingreifen Scipiones sein Leben. Der Selbstmordversuch der Königin, über den Siface<br />

und Scipione entsetzt sind, lässt sich auf diese Weise allerdings nicht mehr<br />

handlungslogisch begründen, scheitert aber ohnehin am Eingreifen der <strong>Die</strong>nerin.<br />

Scipione gibt Siface und Sofonisba Freiheit, Besitz und Thron zurück. Massinissa<br />

wird von Lelio am Selbstmord gehindert und tritt dem Freundesbund bei. <strong>Die</strong> moralische<br />

Selbstbehauptung, die die Figur der Sofonisba in der Frühen Neuzeit interessant<br />

machte, hat sich in dieser Fassung völlig verloren und die Tragik liegt eher auf<br />

der Seite Massinissas, der deshalb in einigen Aufführungen zur Titelfigur wurde. Zu<br />

dieser Umbesetzung passt es, dass Scipione die Züge eines spätaufklärerischen<br />

Herrschers annimmt.<br />

Bereits den Zeitgenossen und den Rezensenten 96 galt das Ende <strong>als</strong> konstruiert;<br />

nur zehn außeritalienische Aufführungen sind belegt.<br />

Gelegentlich wurden auch Monodramen vertont. So hat Christian Gottlob Neefe das<br />

Monodrama 97 Sophonisbe (1776) von <strong>August</strong> Gottlieb Meißner teilweise in Musik<br />

gesetzt. <strong>Die</strong> Erstaufführung fand 1778 im Mannheimer Nationaltheater statt, wo<br />

schon die Oper von Traetta aufgeführt worden war; dieser Hof scheint am Thema<br />

Gefallen gefunden zu haben. Im folgenden Jahr fand am Darmstädter Hof eine Aufführung<br />

unter der musikalischen Leitung des Erbprinzen Ludwig X. statt, bei der die<br />

Erbprinzessin Luise von Hessen-Darmstadt in der Titelrolle auftrat. 98 Neefe hat allerdings<br />

nur die Monologe vertont. Unterschiedliche Bezeichnungen wie »Musikalisches<br />

Drama mit historischem Prolog und Chören« (Textbuch), »Drama mit musikalischer<br />

Begleitung« (Autograph), »Drama« (Darmstädter Partitur von 1779) und<br />

»Monodrama« (Klavierauszug) zeigen an, dass es sich um eine instabile späthöfische<br />

Mischgattung mit deutlicher Nähe zur Attitüde handelte. Bekanntlich führte<br />

Lady Hamilton auch Sophonisbe <strong>als</strong> Attitüde auf. 99<br />

Ikonographische Entwicklung in der Frühen Neuzeit<br />

Da Boccaccios historisch-mythographische Enzyklopädien 100 von Gelehrten, Lite-<br />

raten und Künstlern eifrig <strong>als</strong> Nachschlagewerke genutzt wurden, wirkten die Illu-<br />

strationsholzschnitte des ersten Drucks von De claris mulieribus prägend auf die<br />

Ikonographie antiker Frauengestalten in der Frühen Neuzeit. Boccaccios Kompen-<br />

dium bedeutender Frauen 101 erschien 1473 in der Ulmer Offizin des Frühdruckers<br />

Johannes Zainer 102 , zunächst in einer lateinischen Ausgabe, ein Jahr später auch<br />

in der deutschen Übersetzung des Humanisten Heinrich Steinhöwel. Beide Drucke<br />

96<br />

<strong>Die</strong> vernichtende Kritik von E. T. A. Hoffmann unterstreicht die auch musikalische Epigonalität (vgl. Broska,<br />

Matthias, a.a.O., S. 627).<br />

97<br />

Siehe unten S. 290.<br />

98<br />

Schwarz, Monika: »Neefe: Sophonisbe (1778)«, in: Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters, Bd. 4, hrsg. von<br />

Carl Dahlhaus, München 1991, S. 401f.<br />

99<br />

Vgl. unten S. 297.<br />

100<br />

Genealogia deorum, De casibus virorum illustrium, De claris mulieribus.<br />

101<br />

Siehe oben S. 66.<br />

102 11<br />

Koschatzky, Walter: <strong>Die</strong> Kunst der Graphik, Technik, Geschichte, Meisterwerke, München 1993, S. 71.<br />

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