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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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IX Von der vertu zum Affekt<br />

Oper und Kantate, Monodrama und Attitüde<br />

1 Affektmodellierung und moralischer Diskurs<br />

Stand in der frühneuzeitlichen Ikonographie der profanen <strong>Tugendheldin</strong>nen der<br />

sich an die Eliten des entstehenden Absolutismus richtende politisch-moralische<br />

Sinn im Vordergrund, konzentriert sich in der weiteren Entwicklung das Interesse<br />

auf die Affektmodellierung, während der moralische Diskurs allmählich in den Hin-<br />

tergrund tritt. Renis Bildformel des himmelnden Seelenblicks stellte bei seinen<br />

halbfigurigen Sophonisben 1 ebenso wie bei seinem einfigurigen Typus der Lukre-<br />

tia 2 oder seinen Kleopatra-Darstellungen 3 eingängige und affektiv ansprechende<br />

Bildprägungen zur Verfügung, die auch dann noch nachwirkten, <strong>als</strong> die ›Sehn-<br />

suchtshalbfiguren‹ bereits ihren religiösen und neustoischen Hintergrund verloren<br />

hatten. 4 Noch 1791 griff Angelika Kauffmann in ihrem Porträt der Fürstin Maria<br />

Santacroce auf den Typus einer zum Selbstmord entschlossenen Lukretia zurück,<br />

um ein dramatisch gefärbtes Rollenporträt zu inszenieren. Auch Dido und Kleopat-<br />

ra boten im 19. Jahrhundert weiterhin Vorlagen für Affektdarstellung und elegische<br />

Stimmung, wie andere Gemälde von Kauffmann (Dido), Böcklin (Kleopatra) oder<br />

Arthur (Kleopatra) verdeutlichen können. Selbst der in der Ikonographie eher sel-<br />

ten ins Bild gesetzten Porzia nehmen sich romantische Maler wie Auvray und Cau-<br />

cig noch einmal an und betonen besonders aufopferungsvolle Gattenliebe. 5<br />

<strong>Die</strong>se ikonographische Entwicklung von der vertu zum Affekt findet sich<br />

nicht nur in der bildenden Kunst, sondern lässt sich auch in Oper und Kantate, Mo-<br />

nodrama und Attitüde der späteren Neuzeit nachvollziehen. <strong>Die</strong> ikonographische<br />

Affektmodellierung, zunächst zur rhetorischen Hervorhebung des moralischen<br />

(oder religiösen) Diskurses entwickelt, weckt in der Attitüde nurmehr psychologi-<br />

sches Interesse. Damit verbunden tritt nicht nur ein Funktionswechsel der antikisie-<br />

renden Referenz ein; der historische Hintergrund selbst verblasst wie in den von<br />

1 Vgl. S. 86f.<br />

2 Vgl. S. 131.<br />

3 Vgl. S. 157f.<br />

4 Vgl. S. 216f.<br />

5 Vgl. oben S. 175.<br />

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