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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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IX Von der vertu zum Affekt<br />

schen Triumphzug aus, in dem sie <strong>als</strong> Beute mitgeführt werden soll. Durch Vertraute<br />

wird ihr ein Früchtekorb mit einer darin verborgenen Schlange gebracht. Ängste<br />

vor dem bevorstehenden Tod beschleichen sie:<br />

[…] in dieser Schale das Ziel meiner Größe, meines Glücks, meiner Hofnung<br />

[!], in dir mein Tod? Furchtsame! Warum schaudert dir? Warum bebst du? –<br />

Antonius nicht mehr? Hinter dir ewige Ketten! Und du zitterst? – – […] 86<br />

Als das Gift sie bereits in Agonie versetzt hat, wird der tödlich verwundete Antonius<br />

87 hereingetragen und stirbt zu ihren Füßen:<br />

Du lebst noch! Wohl mir, dass ich dich noch einmal umarmen kann. – O komm!<br />

– Du hörst nicht! Fliehst meine Pein! – (Indem sie sich aufrichtet, sieht sie,<br />

dass er schon stirbt.) Ah er stirbt zu meinen Füßen! – Warum ruftest du mich<br />

zurück! – Verzeuch noch einen Augenblick, so geh ich mit dir, schon schwingt<br />

mein Geist die Flügel. – (Indem sie wieder zurück sinkt und Antonius ganz verscheidet.)<br />

88<br />

Während ihrer letzten Atemzüge tritt Octavian ins Gefängnis, um Kleopatra auf sein<br />

Schiff zu bringen. Im Sterben erbittet Kleopatra ein gemeinsames Grab mit Antonius.<br />

Ein Doppelchor kommentiert das triumphierende Schlusswort des Octavian 89<br />

und wertet überraschenderweise Kleopatras Tod in einem Kehrreim moralisch:<br />

Das ist das Ziel der größten Macht,<br />

Wenn Tugend nicht am Throne wacht! 90<br />

Entschlusskraft und Liebe, vor allem aber moralische Verwerflichkeit charakterisie-<br />

ren Kleopatra <strong>als</strong> femme fatale. Der vom Chor vorgetragene ›moralische‹ Kom-<br />

mentar ist nur verständlich, wenn beim Publikum die Kenntnis der gesamten Epi-<br />

sode vorausgesetzt wird. 91<br />

<strong>August</strong> Siegfried von Goué (1742-1789) lässt in seinem Duodrama Dido 92<br />

die afrikanische Königin mit ihrer Schwester Anna auftreten.<br />

Anna bewundert Didos Großmut. 93 Als die Königin sich, effektvoll genug, auf der<br />

Bühne ersticht, zerfließt die herbeigeeilte Schwester in Mitgefühl und spricht die<br />

abschließenden Worte des Schlusstableaus, ihre tote Schwester, einer Pietà vergleichbar,<br />

im Arm haltend:<br />

Sie ist todt!<br />

Bewundern und beklagen muß man sie.<br />

Ihr Herz verdiente wohl ein beß’res Loos,<br />

86<br />

Neumann, a.a.O., S. 15.<br />

87<br />

Schimpf weist (a.a.O., S. 79) darauf hin, dass die letzten Worte des sterbenden Antonius von der Musik und<br />

von der Deklamation <strong>als</strong> pathetischer Höhepunkt inszeniert werden: »Bei dieser unter der Musik gesprochenen<br />

Rede, müsste die Musik nicht zu kurz seyn, damit der Schauspieler, der gebrochen reden muß, frei declamiren<br />

könne.« <strong>Die</strong>ser Effekt, der bereits von Benda versucht worden war, hat beim zeitgenössischen Publikum große<br />

Wirkung gehabt (vgl. Schimpf, a.a.O., S. 80).<br />

88<br />

Neumann, a.a.O., S. 17.<br />

89<br />

»Triumph! Mein Sieg ist nun vollkommen!« (S. 18)<br />

90<br />

Neumann, a.a.O., S. 19f.<br />

91<br />

Nach Schimpf (a.a.O., S. 40-46) wurden Monodramen an Höfen, in Städten, in adligen Gesellschaften und<br />

akademischen Liebhabertheatern gezeigt, häufig aber auch in Universitätsstädten, wo eine Spielerlaubnis für<br />

Theatertruppen schwer zu erhalten war und Monodramen <strong>als</strong> ›Konzerte‹ kaschiert zur Aufführung kamen.<br />

92<br />

Goué, <strong>August</strong> Siegfried von: Dido, ein Duodrama, Wetzlar 1771.<br />

93<br />

Goué, a.a.O., S. 18. »Ja, Dido, ich / Sprach ihn: allein umsonst. Er hörte mich / nicht aus. Er sagte, Jupiters<br />

Befehl / Sey widerholt an ihn, dass er die Stadt / Verlasse, schon ergangen. Doch du weißt / Es alles. Ich bewundre<br />

dich, dass du / So grosmuthsvoll dein Schicksal trägst. Denn ich / Getrau’te mir im Anfang dir es nicht /<br />

zu sagen.«<br />

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