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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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IV Liebe, Patriotismus und Selbstbestimmung: Sophonisbe <strong>als</strong> <strong>Tugendheldin</strong><br />

seinen Bericht und macht damit bereits wichtige Vorgaben für die spätere Rezepti-<br />

onsgeschichte. 16 Verzweiflung, Pathos und Affekte lösen eine überstürzte Hand-<br />

lungsfolge aus: Von Mitleid, aber auch von plötzlich wieder entflammter Liebe er-<br />

fasst, verspricht Massinissa Sophonisbe Hilfe gegen die Römer und nimmt sie zur<br />

Frau. Laelius, der Vertreter Scipios, ist über die überstürzte Ehe ungehalten, über-<br />

lässt jedoch Scipio die Entscheidung über Sophonisbes Schicksal. Da der inzwi-<br />

schen <strong>als</strong> Gefangener vor Scipio geführte Syphax seine antirömische Politik mit<br />

dem Einfluss Sophonisbes 17 entschuldigt, verlangt Scipio von Massinissa, sie <strong>als</strong><br />

Kriegsbeute Rom auszuliefern, und wirft dem Liebeseifer des nubischen Herr-<br />

schers mangelnde Mäßigung (temperantia) vor. 18<br />

attingere dextram, precor quaesoque per maiestatem regiam, in qua paulo post ante nos quoque fuimus, per<br />

gentis Numidarum nomen, quod tibi cum Syphace commune fuit, per huiusce regiae deos, qui te melioribus<br />

ominibus accipiant quam Syphacem hinc miserunt, hanc ueniam supplici des ut ipse quodcumque fert animus<br />

de captiua tua statuas, neque me in cuiusquam Romani superbum et crudele arbitrium uenire sinas. si nihil<br />

aliud quam Syphacis uxor fuissem, tamen Numidae atque in eadem mecum Africa geniti quam alienigenae et<br />

externi fidem experiri mallem; quid Carthaginiensi ab Romano, quid filiae Hasdrubalis timendum sit uides. si<br />

nulla re alia potes, morte me ut uindices ab Romanorum arbitrio oro obtestorque.« (›Als er in die Vorhalle kam,<br />

trat ihm bereits auf der Schwelle Sophoniba entgegen, die Gattin des Syphax und Tochter des Karthagers<br />

Hasdrubal. Als sie ihn, durch seine Rüstung sowie durch sein ganzes Auftreten ausgezeichnet, mitten in der<br />

Schar der Bewaffneten erblickte, war sie überzeugt, dass er der König sei, was ja auch wirklich zutraf. Sie warf<br />

sich vor ihm auf die Knie und sagte: <strong>Die</strong> Götter, deine Tapferkeit und dein Glück haben uns ganz in deine<br />

Gewalt gegeben. Aber wenn eine Gefangene vor dem Herrn über ihr Leben und ihren Tod die flehende<br />

Stimme erheben, wenn sie seine Knie, seine siegreiche Rechte umfassen darf, bitte ich flehentlich bei der<br />

königlichen Würde, die auch uns vor kurzem noch gebührte, beim numidischen Volk, dem du gemeinsam mit<br />

Syphax angehörst, bei den Göttern dieses Hauses, die dich unter besseren Vorzeichen empfangen mögen, <strong>als</strong><br />

sie Syphax von hier entlassen haben, gewähre der Flehenden diese Gnade; entscheide du allein über deine<br />

Gefangene, wozu immer dein Herz dich treibt, und überantworte mich nicht der hochmütigen und grausamen<br />

Willkür eines Römers. Wäre ich auch nur die Gemahlin des Syphax, wollte ich doch lieber mein Schicksal in<br />

die Hände eines Numiders und eines Mannes gelegt sehen, der wie ich in Afrika geboren ist, <strong>als</strong> in die eines<br />

Fremden und Ausländers. Was eine Karthagerin, was die Tochter Hasdrub<strong>als</strong> von einem Römer zu befürchten<br />

hat, siehst du selbst. Ich bitte und beschwöre dich, mich durch den Tod vor der Willkür der Römer zu retten,<br />

wenn kein anderer Ausweg bleibt.‹) (Ab urbe condita, 30,12,11-12)<br />

16 Direkte Rede beanspruchte in der antiken Historiographie keine Authentizität, musste aber der Wahrscheinlichkeit<br />

der Situation und Charaktere angepasst sein. Vgl. Laggner, Brigitte: Untersuchungen zur Topologie in<br />

den Reden der ersten und dritten Dekade des livianischen Geschichtswerkes, Diss. phil. Graz 1972.<br />

17 »tum se insanisse, tum hospitia priuata et publica foedera omnia ex animo eiecisse, cum Carthaginiensem<br />

matronam domum acceperit. illis nuptialibus facibus regiam conflagrasse suam; illam furiam pestemque<br />

omnibus delenimentis animum suum auertisse atque alienasse, nec conquiesse donec ipsa manibus suis<br />

nefaria sibi arma aduersus hospitem atque amicum induerit.« (›Er sei wahnsinnig geworden und habe alle<br />

Gebote der Gastfreundschaft und alle Vereinbarungen vergessen, <strong>als</strong> er eine Karthagerin heiratete. <strong>Die</strong><br />

Hochzeitsfackeln hätten seinen Palast in Asche verwandelt, die verderbenbringende Furie habe seinen Sinn<br />

mit allen möglichen Betäubungsmitteln verführt und verblendet und erst Ruhe gegeben, <strong>als</strong> sie ihm eigenhändig<br />

die verbrecherische Rüstung gegen den Gastfreund und persönlichen Freund angelegt habe.‹) (Ab<br />

urbe condita, 30,13,11)<br />

18 »et regem coniugemque eius, etiamsi non ciuis Carthaginiensis esset, etiamsi non patrem eius imperatorem<br />

hostium uideremus, Romam oporteret mitti, ac senatus populique Romani de ea iudicium atque arbitrium esse,<br />

quae regem socium nobis alienasse atque in arma egisse praecipitem dicatur.« (›Daher müsse man den König<br />

und seine Gemahlin nach Rom schicken, und dies selbst wenn sie keine Karthagerin wäre und ihr Vater kein<br />

feindlicher Feldherr. Dem Senat und dem römischen Volk sei die letzte Entscheidung über eine Frau<br />

überlassen, die einen verbündeten König abspenstig gemacht und H<strong>als</strong> über Kopf in den Krieg getrieben<br />

haben soll.‹) (Ab urbe condita, 30,14,10)<br />

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