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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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VII Posttridentinische Märtyrer und stoische Tugendhelden<br />

Antonio Barberini 55 , aus dessen Sammlung das Gemälde 1692 in die Kollektion<br />

der Chigi gelangte; seit diesem Zeitpunkt kann der weitere Weg des Bilds genau<br />

verfolgt werden. 56<br />

Oberkörper und Haupt der frontal und halbfigurig ge-<br />

gebenen Heiligen bilden eine Pyramide, die durch die Dre-<br />

hung des Kopfes der Büßerin nach links oben aufgelöst wird.<br />

Der sich im beigetonigen Hintergrund <strong>als</strong> Aufhellung ab-<br />

zeichnende Lichteinfall verstärkt die Diagonalbewegung von<br />

unten rechts nach oben links. Magdalena ist <strong>als</strong> junge Frau<br />

mit offenem hellbraunen Haar und sehr hellem Inkarnat dar-<br />

gestellt; das weite faltige Gewand in einem perligen Grauton<br />

Abb. 3<br />

unterstreicht die Diaphanität ihrer Erscheinung. Festigkeit erhält die Kontur durch<br />

einen roten Mantel, der den auf einem Totenschädel ruhenden linken Arm umhüllt.<br />

In der Linken hält die Heilige ein schlichtes braunes Holzkreuz. <strong>Die</strong> rechte Hand<br />

führt sie im ›Anbetungsgestus‹ 57 an die entblößte Brust und unterstreicht die De-<br />

mutsgebärde durch den ›himmelnden Blick‹, der – entsprechend der mittelalterli-<br />

chen Legende – nach Buße und Kontemplation die dritte Bewusstseinstufe der Er-<br />

leuchtung andeutet. 58 <strong>Die</strong> Pupillen sind nach oben links zum himmlischen Licht<br />

gerichtet, von den Augen sind nur noch die weißen Augäpfel zu sehen: Seit dem<br />

Erscheinen von Cesare Ripas »Iconologia«im Jahre 1593 waren »gli occhi rivolti al<br />

cielo« <strong>als</strong> »Teilhabe an göttlicher Gnade« 59 kodiert. Der Mund hat sich leicht geöff-<br />

net und deutet das demütige Empfangen der sakramentalen gratia divina an.<br />

55 Dazu Cola, Alberto / Salvagni, Anna / Scolaro, Francesca / Scolaro, Michaela / Caroselli, Susan (Hrsg.): AK<br />

Guido Reni, 1575 Ŕ 1642, Bologna 1988, S. 154.<br />

56<br />

Vgl. Pepper, a.a.O., S. 339.<br />

57<br />

Dazu schon 1938 Weise, <strong>Georg</strong> / Otto, Gertrud: <strong>Die</strong> religiösen Ausdrucksgebärden des Barock und ihre<br />

Vorbereitung durch die italienische Kunst der Renaissance, Stuttgart 1938 (Schriften und Vorträge der Württembergischen<br />

Gesellschaft der Wissenschaften, Geisteswissenschaftliche Abteilung, Heft 5). <strong>Die</strong> Autoren<br />

unterscheiden Gesten der Ergebenheit, der Inbrunst und der Beteuerung. Der Gestus der Beteuerung wird<br />

immer stärker zum Ausdruck des Schwärmerischen und der Ekstase (S. 48-63). Zuletzt dazu Ubl, Ralph: »Zu<br />

einer Interpretation von Guido Renis Andachtsbildern« in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, 44, 1991, S.<br />

159-173.<br />

58<br />

<strong>Die</strong> Legenda aurea des Jacobus a Voragine erwähnt (XCVI) die Ekstase der Heiligen (»[...] qualibet autem<br />

die septem horis canonicis ab angelis in aethera elevabatur et coelestium agminum gloriosos concentus etiam<br />

corporalibus auribus audiebat, unde diebus singulis his suavissimis dapibus satiata et inde per eosdem<br />

angelos ad locum proprium revocata corporalibus alimentis nullatenus indigebat.«) und legt ihr einen weiteren<br />

Bericht in den Mund: »›Ego‹, inquit, ›sum illa, quae per triginta annorum spatium omnibus hominibus ignota<br />

permansi et sicut tibi heri cernere permissum est, singulis diebus angelicis manibus in aethera sublevata<br />

coelestium agminum dulcissimam jubilationem septenis vicibus per singulos dies corporeis auribus audire<br />

permerui.‹« (Hrsg. Graesse, Th., Dresden 1890 [ND Osnabrück 1965], S. 413-414)<br />

59<br />

Henning, Andreas: »<strong>Die</strong> Physiognomie der Vision, Inspiration und Anbetung«; in: Andreas Henning / Gregor<br />

J. M. Weber (Hrsg.): AK ›Der himmelnde Blick‹, Zur Geschichte eines Bildmotivs von Raffael bis Rotari, Dresden<br />

1998., hier S. 22.<br />

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