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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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V Römische <strong>Tugendheldin</strong>nen in der Ikonographie der Frühen Neuzeit<br />

diffamierenden Darstellungen der römischen Dichtern Vergil 4 und Lukan 5 deuten<br />

Kleopatra <strong>als</strong> treibende Kraft im Bürgerkrieg, die Antonius gewissermaßen behext<br />

und zu ihrem Instrument macht. Kleopatra wird so in der Dichtung zur Inkarnation<br />

des fremden, mysteriösen und deshalb bedrohlichen Ostens, der beinahe über die<br />

westliche Welt und ihre Kultur triumphiert hätte. 6 <strong>Die</strong>ses Zerrbild wird im Mittelalter<br />

übernommen: Dante charakterisiert Kleopatra <strong>als</strong> lussorïosa 7 und versetzt sie zu-<br />

sammen mit Semiramis, Dido und Helena ins Inferno. Ihr Bild wird von Prunk, Ver-<br />

schwendung und Luxus geprägt. Boccaccio wendet in De claris mulieribus 8 seine<br />

ganze Imaginationskraft auf, um eine von Verschwendungssucht und sexueller<br />

Maßlosigkeit getriebene Frau zu zeichnen. Er charakterisiert die ägyptische Köni-<br />

gin <strong>als</strong> »zügellos bösartige Frau von hohem Selbstbewusstsein« (e[ff]renata mali-<br />

tiis mulier, de se plurimum fidens) 9 , welche die Männer sexuell hörig machte und<br />

<strong>als</strong> Marionetten ihrer politischen Absichten und Intrigen benützte. Breit schmückt<br />

Boccaccio eine von Plinius d. Ä. 10 überlieferte Anekdote aus. Kleopatra gewann<br />

eine Wette mit Antonius, <strong>als</strong> sie bei einem Bankett hunderttausend Sesterzen auf<br />

einmal verzehrte, indem sie eine Perle in Essig auflöste und trank. In der späteren<br />

Bildtradition wird dieses Perlenmotiv oft aufgegriffen. Moralisierend zeichnet Boc-<br />

caccio das Bild einer machtbewussten und schönen, intriganten und raffinierten<br />

4<br />

Aeneis VIII, 675-713<br />

5<br />

Besonders Pharsalia X, 53-69.<br />

6<br />

So Vergil, Aen. VIII, 696-700: »Regina in mediis patrio vocat agmina sistro / necdum etiam geminos a tergo<br />

respicit anguis. / Omnigenumque deum monstra et latrator Anubis / contra Neptunum et Venerem contraque<br />

Minervam / tela tenent. Saevit medio in certamine Mavors.« (›Inmitten der Schlacht ruft die Königin ihre Scharen<br />

mit dem väterlichen Sistrum, sieht noch nicht die beiden Schlangen im Rücken. Monstren von Göttern<br />

jeglicher Art und der Räuber Anubis führen die Waffen gegen Neptun, Venus und Minerva. Mitten im Kampf<br />

rast Mars.‹) – Lukan, Pharsalia X, 66-67: »Leucadioque fuit dubius sub gurgite casus, / an mundum ne nostra<br />

quidem matrona teneret.« (›Es war auf dem leukadischem Meer der Ausgang unsicher, ob eine Frau und gar<br />

eine fremde die Welt regieren sollte.‹)<br />

7<br />

Inf. V, 63 (»poi è Cleopatràs lussuriosa«); außerdem Par. VI, 75-78 (»Piangene ancor la trista Cleopatra, /<br />

che, fuggendoli innanzi, dal colubro / la morte prese subitana e atra«).<br />

8<br />

LXXXVIII: De Cleopatra regina Egyptiorum<br />

9<br />

LXXXVIII, 7<br />

10<br />

Naturalis historia, IX, 119-121: »[…] Haec, cum exquisitis cotidie Antonius saginaretur epulis, superbo simul<br />

ac procaci fastu, ut regina meretrix lautitiam eius omnem apparatumque obtrectans, quaerente eo, quid adstrui<br />

magnificentiae posset, respondit una se cena centiens HS absumpturam.[…] Ex praecepto ministri unum tantum<br />

vas ante eam posuere aceti, cuius asperitas visque in tabem margatitas resolvit. Gerebat auribus cum<br />

maxime singulare illud et vere unicum naturae opus. Itaque expectante Antonio, quidnam esset actura, detractum<br />

alterum mersit ac liquefactum obsorbuit. Iniecit alteri manum L. Plancus, iudex sponsionis eius, eum quoque<br />

parante simili modo absumere, victumque Antonium pronuntiavit omine rato.« (›Als sich Antonius täglich<br />

mit erlesenen Mahlzeiten mästete, antwortete [Kleopatra] auf seine Frage, ob man noch größeren Luxus bieten<br />

könne, mit anmaßender und zugleich frecher Verachtung, <strong>als</strong> ob die hurende Königin seine Bewirtung und<br />

den ganzen Aufwand herabsetzen wollte, sie werde bei einem einzigen Gastmahl hunderttausend Sesterzen<br />

verzehren. […] Auf ihren Befehl besorgten die Bediensteten ein Gefäß mit Essig, in dessen Schärfe sich Perlen<br />

auflösen ließen. Kleopatra trug <strong>als</strong> Ohrschmuck dieses einzigartige und unvergleichliche Produkt der Natur<br />

[bereits von Plinius erwähnte Perlen unvergleichlicher Größe]. Als Antonius wartete, was sie denn nun tun<br />

würde, nahm sie eine Perle aus dem Ohrgehänge, tauchte sie in den Essig und trank sie aufgelöst. Als sie<br />

auch die zweite Perle auf gleiche Weise vernichten wollte, verkündete L. Plancus, der Schiedsrichter der Wette,<br />

dass Antonius unter den vereinbarten Bedingungen die Wette verloren habe.‹)<br />

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