21.06.2013 Aufrufe

Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

VII Posttridentinische Märtyrer und stoische Tugendhelden<br />

neuzeitliche Theater 98 macht das Bild lesbar:<br />

Es illustriert die Staatsräson des Feldherrn, der<br />

auf dem Anspruch Roms bestand, Sophonisbe<br />

ohne Rücksicht auf ihre überstürzte Heirat mit<br />

Massinissa auszuliefern.<br />

Altarbild und Wanddekoration, Martyrium<br />

der Heiligen Agathe und Selbstmord der Sopho-<br />

Abb. 11<br />

nisbe instrumentalisieren eine vergleichbare Blicklenkung da sotto in su, die den<br />

Betrachter des Altarbilds wie des profanen Freskos auf die Vorbildlichkeit und Er-<br />

habenheit der dargestellten Szenen aufmerksam macht. Ebenso unterstreichen die<br />

antiken Architekturzitate in beiden Gemälden die Dignität der Dargestellten. So-<br />

phonisbe ist <strong>als</strong> Königin selbstverständlich luxuriös gekleidet, Agathe zeichnet sich<br />

<strong>als</strong> bekennende Christin durch eine einfache, farblich zurückhaltende Kleidung<br />

aus.<br />

<strong>Die</strong> staatliche Gewalt wird im Martyrium der Heiligen Agathe in der Person<br />

des Henkers sinnfällig dargestellt. <strong>Die</strong> Umwelt reagiert auf die tödliche Bedrohung<br />

der Heiligen nicht, Knabe und <strong>Die</strong>nerin assistieren gleichgültig, beinahe apathisch.<br />

Der Hofstaat Sophonisbes reagiert hingegen aufgebracht; der Page links ist schon<br />

ganz in vorwegnehmender Trauer versunken. Im Hintergrund blicken zwei ältere<br />

Männer entsetzt auf die Überreichung des Gifts. Ihnen korrespondieren zwei<br />

männliche Rückenfiguren im rechten Vordergrund, deren gespannte Aufmerksam-<br />

keit auf Sophonisbe gerichtet ist. Eine starke emotionale Betroffenheit zeigt die<br />

Zofe der Königin.<br />

In beiden Werken hat Giovanni Battista Tiepolo der Haltung der Protagonistin<br />

stärkste Aussagekraft gegeben: Agathes visionärer Blick in den Himmel wird von<br />

der Demutsgeste ihrer Hände begleitet; Sophonisbe streckt die geöffnete Linke<br />

dem Giftbecher entgegen. Der Maler hat die Hand der afrikanischen Königin auf<br />

den Schnittpunkt der Diagonalen gesetzt und damit stark betont. <strong>Die</strong> Heilige be-<br />

kundet Ergebung ins Martyrium und Sterben, die Königin die von der stoischen<br />

Philosophie verlangte, das fatum bejahende Willensstärke. <strong>Die</strong> ausgestreckte<br />

Hand der Regentin, die das Unausweichliche bereitwillig akzeptiert, steht für den<br />

98 Siehe dazu oben S. 60ff. und S. 68ff.<br />

226

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!