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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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Kleopatra: <strong>Tugendheldin</strong> oder femme fatale<br />

femme fatale und eröffnet damit eine Sichtweise, die bis in die Darstellung Kleopat-<br />

ras <strong>als</strong> dekadenter Herrscherin in der Historienmalerei des Fin de siècle nach-<br />

wirkt. 11 Versagten römische Schriftsteller wie Horaz ihrem mutigen Selbstmord<br />

nicht die Achtung 12 , erzählt Boccaccio neben dem Selbstmord eine zweite, weniger<br />

schmeichelhafte Todesversion, nach der Antonius die Regentin gezwungen hätte,<br />

das Gift zu trinken,das sie ihm bestimmt hatte. Beschimpfte bereits Properz Kleo-<br />

patra <strong>als</strong> ›hurende Königin‹ 13 , verdichtete nun der Humanist ihr Bild zu dem einer<br />

»männermordenden Sirene«. 14<br />

Historiengemälde griffen verschiedene und gegensätzliche Aspekte auf. Vor<br />

allem im 19. Jahrhundert wurde Kleopatra <strong>als</strong> laszive und dekadente Herrscherin 15<br />

dargestellt, ein Motiv, für das sich zahlreiche antike und mittelalterliche Quellen<br />

anführen ließen. Ganz im Gegensatz dazu stand in der Frühen Neuzeit die Tu-<br />

gendheldin im Vordergrund, die ihren Tod selbst wählt. 16 Daneben erscheint Kleo-<br />

patra <strong>als</strong> Königin und <strong>als</strong> große Liebende. Beide Motive gehen offensichtlich auf<br />

das frühneuzeitliche Historiendrama zurück, ohne dessen Vermittlung wie bei So-<br />

phonisbe und Dido die Ikonographie des Historiengemäldes nicht zu erklären wäre.<br />

In der Tat war die Figur der Kleopatra – hierin Dido vergleichbar – ein ausgespro-<br />

chener Bühnenerfolg. Bis 1900 sind weit über hundert Bearbeitungen 17 zu ver-<br />

zeichnen, zunächst Historiendramen, dann aber auch viele Opern und Ballette bis<br />

11 Zu Makarts Kleopatra vgl. S. 13ff.<br />

12 Horaz (c. 37, 21) betont ihren männlichen Mut, der sie auch in dieser verzweifelten Situation nicht fliehen<br />

lässt: »Quae generosius/ perire quaerens nec muliebriter / Expavit ensem nec latentis / Classe cita reparavit<br />

oras. « (›<strong>Die</strong>se will auf edlere Weise sterben und schreckt nicht nach Frauenart vor dem Schwert zurück noch<br />

verbirgt sie sich mit einer schnellen Flotte in einer entlegenen Bucht.‹)<br />

13 »meretrix regina« (Elegien III, 11, 39)<br />

14 So Clauss, a.a.O., S. 107f., der im Übrigen zeigt, dass bereits die römischen Schriftsteller (Horaz, Vergil,<br />

Cassius Dio, Aurelius Victor) den Bürgerkrieg immer mehr personalisiert, Kleopatra zur wichtigsten Gegenspielerin<br />

des Oktavian gemacht und Antonius zum Opfer stilisiert hatten: »Indem die Autoren Kleopatra <strong>als</strong> männermordende<br />

Sirene zeichneten, entwarfen sie ein Traumbild männlicher Obsessionen. Da für den Krieg gegen<br />

die ägyptische Königin auch ein Grund notwendig war, wuchsen mit dem Abstand von den Ereignissen in<br />

der römischen Geschichtsschreibung die Ambitionen Kleopatras immer gewaltiger. Der Krieg gegen sie geriet<br />

schließlich zum Kampf um Freiheit und Ehre, aber auch zum Kampf für Moral und Unzucht. Was zunächst <strong>als</strong><br />

Konflikt zweier politischer Parteiungen begonnen hatte, endete in der Dichtung und Historiographie <strong>als</strong> Rettung<br />

vor dem barbarischen Osten und vor der monarchischen Staatsform hellenistischer Prägung.«<br />

15 Vgl. Lindinger, Michaela: »Der verzauberte Blick – Imaginationen des ›Orientalischen‹ in Europa«, in: Mayr-<br />

Oehring, Erika / Doppler, Elke (Hrsg.): AK Orientalische Reise, Malerei und Exotik im späten 19. Jahrhundert,<br />

Wien 2003, S. 10-17.<br />

16 Immerhin konnte sich diese Interpretation auf Tertullian berufen, der den Selbstmord Kleopatras dadurch<br />

motiviert, dass sie nicht in die Hände der Feinde fallen wollte (»serpentes tauro vel urso horridiores, quas<br />

Cleopatra immisit sibi, ne in manus inimici perveniret« [mart. 4,6]).<br />

17 Dazu Brambach, Joachim: Kleopatra und ihre Zeit, Legende und Wirklichkeit, München 1991, S. 7: »Zwischen<br />

1540 und 1905 sind allein 127 Bühnenstücke, nämlich 77 Dramen, 45 Opern und 5 Ballette über den<br />

Kleopatra-Stoff erschienen, unter ihnen Shakespeares ›Antonius und Kleopatra‹ sowie G. B. Shaws ›Caesar<br />

und Kleopatra‹.« Außerdem Hughes-Hallett, Lucy: Cleopatra, Histories, Dreams and Distortions, London 1990.<br />

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