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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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VII Posttridentinische Märtyrer und stoische Tugendhelden<br />

Der Vergleich mit Renis g a n z f i g u r i g e n Darstellungen 60 Magdalenas verdeutlicht<br />

den hohen Abstraktionsgrad dieser um 1635 entstandenen h a l b f i g u r i g e n<br />

Variante. Im ganzfigurigen Typus [Abb. 4], den Reni ebenfalls mehrfach variierte 61 ,<br />

wird die Schönheit der reumütigen Sünderin akzentuiert. Er zeigt Magdalena <strong>als</strong><br />

Büßerin in einer Höhle und in verschiedenen Sitzpositionen, wobei Totenschädel<br />

und Kreuz ebenso wenig fehlen wie einige Bücher; Wurzelgemüse veranschaulicht<br />

das asketische Leben. Schwebende Putti verweisen in den ganzfigurigen Magdalenenbildern<br />

auf die mystische Vision der Büßerin.<br />

Der unübersehbare Erfolg der Heiligen in der posttridentinischen Ikonographie<br />

hängt nicht zuletzt mit der Propagierung des von den Reformatoren abgelehnten<br />

Bußsakraments in der gegenreformatorischen Erneuerungsbewegung zusam-<br />

men. 62 Außerdem gehört ihre Ikonographie in den Umkreis der vor allem von Do-<br />

menico Fetti variierten, vanitas-Motive und Varianten des memento mori in religiö-<br />

sen und profanen Kontexten abwandelnden Meditationsbilder.<br />

Es ist bezeichnend für diesen Typus von M e d i t a t i o n s b i l d e r n , dass sich bei<br />

der bekannten Melanconia Domenico Fettis in den venezianischen Gallerie<br />

dell’Accademia [Abb. 5] nicht entscheiden lässt, ob es sich noch um ein Heiligenbild<br />

oder bereits um eine ›abstrakte‹ Melancholie handelt. Vergleichbares gilt für FettisMaddalena<br />

in Treviglio [Abb. 6]. Seine Maddalena penitente in der römischen<br />

Galleria Doria Pamphilj 63 und eine andere Version in einer florentinischen Privatsammlung<br />

64 sind nur durch den Nimbus der Heiligen vereindeutigt. – Mit Robert Bellarmins<br />

kontroverstheologischem Hauptwerk (Disputationes de controversiis Christianae<br />

fidei adversus huius temporis haereticos, 1586-93) war die fromme Büßerin<br />

zu einer zentralen Gestalt katholischer Frömmigkeit avanciert. 65 Domenico Fetti war<br />

im Übrigen mit dem Autor und Schauspieler Giovan Battista Andreini (1579-1654)<br />

befreundet, der 1617 eine ›rappresentazione sacra‹ La Maddalena in fünf Akten<br />

veröffentlichte, deren Prolog (›So le penne de’ venti‹) von Claudio Monteverdi vertont<br />

wurde. Andreini versammelte in seinem Werk alle gebräuchlichen Epitheta der<br />

Büßerin. 66<br />

Schon Giovanni Pietro Bellori 67 hat erkannt, dass Renis Varianten der Büßenden<br />

Magdalena antike Bildformeln aufgreifen. Zu nennen ist vor allem die Niobiden-<br />

60 Zu Renis großformatigen religiösen Gemälden im Rahmen der nachreformatorischen Bildertheologie vgl.<br />

Wimböck, Gabriele: Guido Reni (1575-1642), Funktion und Wirkung des religiösen Bildes, Regensburg 2002.<br />

61 Als Beispiel greife ich die in der römischen Galleria Nazionale d’Arte Antica des Palazzo Corsini gezeigte<br />

Magdalena heraus (Pepper, a.a.O., S. 275, Nr. 130).<br />

62 Vgl. Mâle, Émile: L'art religieux après le concile de Trente, Paris 1932, S. 67-72 und S. 190-191.<br />

63 Safarik, Eduard A. (Hrsg.): AK Domenico Fetti, 1588/89-1623, Mailand 1996, Nr. 22 mit Abb. Zur Melancholie<br />

neuerdings Cortenova, Giorgio (Hrsg.): AK Il settimo splendore, La modernità della malinconia, Venedig<br />

2007.<br />

64 Safarik, a.a.O., Nr. 21 mit Abb.<br />

65 Vgl. Mâle, a.a.O., S. 67-69; allgemein zur römischen ›Heiligenoper‹: Schrammek, Bernhard: »›Benedette<br />

martiri…‹ – Martyrium und Tod in römischen Heiligenopern des frühen 17. Jahrhunderts«, in: Fleischhauer,<br />

Günter / Ruf, Wolfgang / Siegmund, Bert / Zschoch, Frieder (Hrsg.): Tod und Musik im 17. und 18. Jahrhundert,<br />

Michaelstein 2001, S. 83-93.<br />

66 Z. B.: ›Penitente famosa, la Martire del Pianto, la Peccatrice Santa, l’Apostola beata, la Serafica devota,<br />

Scapigliata nel Crine, Lagrimosa ne’ lumi, Genuflessa tremante, Disornata, ed humile, Pallida e sospirante‹<br />

(vgl. Safarik, a.a.O., S. 124).<br />

67 » Io seppi da chi fu seco famigliare in Roma, che Guido studiò molto statue di Niobe e delle figliole, le quali è<br />

in dubbio se siano di mano di Scopas o di Prasitele ma di qualunque di loro eccellentissime. In queste statue<br />

oltre l'altre parti esemplari, si comprendono bellissime alzate e mosse di testa che furono a lui di molto profitto<br />

alla maniera grande, ed all'alzate d'occhi delle sue Madalene, Lucrezie e Madonne, nelle quali osservazioni<br />

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