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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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VII Posttridentinische Märtyrer und stoische Tugendhelden<br />

aufgerissenen Augen des Laurentius blicken nach oben, wo ein Putto mit Sieger-<br />

kranz und Palmzweig das Ziel des Martyriums verheißt. Vorne links schürt ein<br />

Mann mit nacktem Oberkörper das Feuer unter dem Rost, das den Märtyrer bereits<br />

mit heftigem Rauch umhüllt. Rechts versucht ein in rotes Tuch gehüllter Priester<br />

unter einer Zeusstatue den jungen Mann zur römischen Staatsreligion zurückzuru-<br />

fen. An beiden Bildrändern drängen sich an ihren Helmen erkennbare<br />

römische Soldaten und sogar ein Pferd: die turbulente<br />

Folterszene vergegenwärtigt dem Betrachter die Be-<br />

drängnis des Blutzeugen. Rubens hat sich in seinem<br />

Altarbild wohl an Gemälden Tizians orientiert; so kann<br />

er in Venedig das 1548 entstandene Martyrium des hei-<br />

ligen Laurentius in der Jesuitenkirche 38 gesehen haben.<br />

Nur wenig kleiner ist ein Historiengemälde der Al-<br />

ten Pinakothek, dessen Thematik völlig ohne Vorbild<br />

war und <strong>als</strong> Invention des flämischen Meisters zu gelten<br />

Abb. 1<br />

hat. 39 Der sterbende Seneca 40 [Abb. 2] stammt wie das Martyrium des Laurentius<br />

aus der Düsseldorfer Galerie des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz. Das<br />

Tafelbild paraphrasiert die Darstellung, die Tacitus vom erzwungenen Selbstmord<br />

des Philosophen Seneca gegeben hat, dem von seinem früheren Eleven Nero vor-<br />

geworfen wurde, an der Pisonischen Verschwörung beteiligt gewesen zu sein. 41<br />

Allerdings ist die Komposition des Bildes ganz von der moralischen Vorbildfunktion<br />

des stoischen Weisen bestimmt, der auch die historische Detailgenauigkeit dient.<br />

Nur mit einem Lendentuch bekleidet steht Seneca dem Betrachter in einem Was-<br />

serbecken frontal gegenüber. Der hagere Körper ist einer hellenistischen Marmor-<br />

statue nachgebildet, die Rubens während seines Romaufenthaltes im Besitz des<br />

Kardin<strong>als</strong> Scipione Borghese gesehen und gezeichnet hat 42 . Rubens folgte damit<br />

38 Zu Tizians Martirio di San Lorenzo aus der venezianischen Jesuitenkirche vgl. Sandro Sponzas Katalogartikel<br />

in Biadene, Susanna (Hrsg.): AK Tiziano, Venezia 1990, S. 308-313 (mit Abb.).<br />

39 Dazu ausführlich Günter Hess: »Der Tod des Seneca, Ikonographie – Biographie – Tragödientheorie« in:<br />

Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 25 (1981), S. 196-228, bes. S. 196-199.<br />

40 Vgl. Katalog 354 und Bestandskatalog der Alten Pinakothek München, München 1983, S. 461-462 (Eichenholz,<br />

185 x 154,7). Am linken und rechten Bildrand wurden Anstückungen vorgenommen, ebenso am unteren<br />

Bildrand. Das Gemälde wird auf die Zeit um 1611 datiert. – Eine heute im Prado (Inv. Nr. 3048) befindliche<br />

Version ist wohl die erste Fassung des Themas. Ulrich Heinen erörtert in seinem Beitrag zum Madrider Seneca<br />

ausführlich die Problematik der Wiederholungen. Vgl. Büttner, Nils / Heinen, Ulrich (Hrsg.): AK Peter Paul<br />

Rubens, Barocke Leidenschaften, Braunschweig 2004, S. 234-243.<br />

41 Ann. XV, 60-65.<br />

42 <strong>Die</strong> Statue befindet sich heute, gedeutet <strong>als</strong> Afrikanischer Fischer, im Louvre. Dazu: Van der Meulen, Marjon:<br />

Rubens’ Copies after the Antique, 3 Bde, London 1994-1995 (Corpus Rubenianum 23), hier: Bd. 3, Abb.<br />

19.<br />

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