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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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IV Liebe, Patriotismus und Selbstbestimmung: Sophonisbe <strong>als</strong> <strong>Tugendheldin</strong><br />

Bereits in der ersten dramatischen Bearbeitung in einer Volkssprache wird das<br />

theatralische und ›philosophische‹ Potential des Stoffes deutlich. <strong>Die</strong> Sofonisba<br />

des G a l e o t t o d e l C a r r e t t o (ca. 1455-1530) 51 wurde 1502 in Mantua aufge-<br />

führt, wenn man der Dedikation 52 des erst 1546 postum erschienen Drucks an Isa-<br />

bella di Mantova Glauben schenken darf.<br />

Das Stück 53 behandelt den gesamten Zusammenhang der »notabili gesti« Scipios<br />

in Afrika, nicht nur das Schicksal der Sofonisba, die erst gegen Ende der Handlung<br />

auftritt. Das noch ganz ›unaristotelische‹ Stück spielt, seine Herkunft aus der Historiographie<br />

nicht verbergend, in einem bilderbogenartigen Aufbau an fünf Handlungsorten:<br />

Cirta, Carthago, Cadiz, Sizilien und in einem Zelt. Dem Zuschauer werden<br />

erhebliche Zeitsprünge zugemutet: zu Beginn des Stückes ist Syphax noch<br />

nicht einmal Sofonisbas Ehemann. Nach klassischem Vorbild hat Galeotto Chorlieder<br />

eingefügt, um die Handlung zusammenzufassen, die in 229 Strophen (ottaverime)<br />

ein breites Bild der Episode im Zweiten Punischen Krieg entwickelt. Sofonisba<br />

selbst tritt nur in vier Szenen auf: sie hat bereits in die Heiratspläne Hasdrub<strong>als</strong><br />

einwilligt und zieht Syphax auf die karthagische Seite. Nach seiner Gefangennahme<br />

bittet sie Massinissa um Hilfe, die er nur <strong>als</strong> Ehemann gewähren kann, weshalb<br />

er auf die Verheiratung drängt. In der letzten Szene empfängt Sofonisba das Gift<br />

und tötet sich. 54<br />

<strong>Die</strong> stoische (und neustoische) Einschätzung des Selbstmords <strong>als</strong> Möglichkeit des<br />

animo gentile zur Bewahrung der inneren Freiheit findet in dem sich selbst monu-<br />

mentalisierenden Epitaph Ausdruck, den Sofonisba für sich entwirft:<br />

Qui giace Sofonisba, ch’ebbe a vile<br />

Questa vita mortal, per gire a morte,<br />

E per spogliarsi l’abito servile<br />

Bevve il veleno, sì che la sua sorte<br />

Sia esempio a qualunque animo gentile,<br />

Che al viver nostro non son l’ore corte,<br />

Ov’ei muor per onore, anzi la vita<br />

L’onorata sen va, resta infinita. 55<br />

In einer hoffnungslosen Konstellation rettet nur der selbst gewählte Tod die morali-<br />

sche Freiheit (»bella e pietosa libertà«). <strong>Die</strong>sen Grundgedanken seines Theater-<br />

51<br />

Rosa, Alberto Asor (Hrsg.): Letteratura Italiana, Gli Autori, Turin 1990, Bd. 1, S. 679-680.<br />

52<br />

Del Carretto, Galeotto: Li sei contenti e La Sofonisba, hrsg. von Gregoli-Russo, Mauda, Madrid 1982, S.<br />

149-151.<br />

53<br />

In der Widmung wird die Handlung knapp zusammengefasst: »One l’animo m’ha indotto a scrivere i notabili<br />

gesti di Scipione in Africa fatti doppo la superata Spagna, e di Siface l’infortunato successo, e di Sofonisba sua<br />

prima moglie il miserevole caso: la quale più tosto elesse di bere il veleno di Massinissa suo novo sposo mandato,<br />

che perdendo libertade andar cattiva in servitù de’ Romani.« (S. 150)<br />

54<br />

Siehe Andrae, <strong>August</strong>: Sophonisbe in der französischen Tragödie mit Berücksichtigung der Sophonisbebearbeitungen<br />

in den anderen Litteraturen, Jena 1891 (Zeitschrift für französische Sprache und Litteratur,<br />

Supplement 6), S. 43.<br />

55<br />

A.a.O., S. 242-243. Vergleichbar: »Torna al tentorio in viso col rossore, / Con la vergogna, e col cordoglio in<br />

seno, / E poiché ha volt’ in pensier vari ‘l cuore, / A Sofonisba manda ‘l dir veneno, / Con dir, se ben è di sua<br />

morte autore, / Che la sua libertà gli salva almeno. / Ed ella il beve intrepida ed ardita, / E fatta in libertà perde<br />

la vita.« (a.a.O., S. 157)<br />

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