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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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dahingehend versteht, dass <strong>Faust</strong> mit mehreren Fragen konfrontiert wurde, wobei die<br />

Frage nach dem Sieg freilich Priorität hat.<br />

„Ich weiß nämlich, dass du dich sorgfältig nach allem erkundigt hast.“ Wer möchte<br />

daran zweifeln, Stibar war auch als Richter tätig. Er hat <strong>Faust</strong> abgeklopft, von oben bis<br />

unten, ihn gleichsam ins Kreuzverhör genommen, festzustellen, ob <strong>Faust</strong> vielleicht<br />

doch etwas weiß, es mit Rücksicht auf einen anderen Klienten verschweigt oder aus<br />

welchen Gründen auch <strong>im</strong>mer, es für sich behält.<br />

Es mag noch angehen, dass Camerarius als angesehener Protestant und Freund<br />

Melanchthons sich schriftlich nach <strong>Faust</strong>s Prognose über den Sieg <strong>des</strong> Kaisers<br />

erkundigte; die gestellte Frage ist wichtig genug, da kann ein angesehener Protestant<br />

sich durchaus den Lapsus leisten, Auskunft bei einem verrufenen Teufelskerl zu<br />

suchen. Doch dass Camerarius sich derart exponierte, einen Katalog von Fragen, die<br />

an <strong>Faust</strong> zu richten seien, auf den Postweg zu bringen, es erscheint als wenig denkbar.<br />

Durchlaufend ist „MBW“ zu entnehmen, dass Briefe nicht ankamen, weiter zu leitende<br />

Briefe versehentlich geöffnet wurden oder auch, dass der Bote nicht zuverlässig sei. Es<br />

scheint, dass Boten gelegentlich – so die Adressaten interessant genug waren, Briefe<br />

bündelweise unter der Hand verkauften, bzw die Anfertigung von Abschriften<br />

gestatteten.<br />

Die Antwort, was sich <strong>im</strong> Vorfeld <strong>des</strong> „Tuus <strong>Faust</strong>us-Briefes“ zugetragen haben könnte,<br />

liefern einmal „Reisetagebücher“, wie sie von Historikern auf der Basis von Briefen<br />

rekonstruiert werden, sowie eine Würdigung jener Humanisten und Gebildeten, die <strong>im</strong><br />

Religionsstreit zu vermitteln suchten.<br />

Für die Gebildeten jener Zeit war die <strong>im</strong>mer deutlicher sich abzeichnende Spaltung der<br />

Kirche ein Schock – ein Kultur-, ein Weltschock; durch das Fundament der Kirche,<br />

einem Bau mit einer Geschichte von eineinhalbtausend Jahren, lief ein Riss, der sich<br />

unaufhaltsam zu einer Kluft verbreitern wollte.<br />

Bis zum Religionsfrieden von 1555, mit dem Spaltung festgeschrieben wurde, mühten<br />

sich die Gebildeten beider Lager einen Ausgleich zu suchen, die Auffassung und die<br />

Ansprüche Roms mit den Anliegen der Reformer in Einklang zu bringen.<br />

Ihre Einigungsbemühungen sind durch unzählige Briefe dokumentiert, sie waren<br />

Gegenstand offizieller Missionen und das best<strong>im</strong>mende Thema privater Gespräche.<br />

Im April 1536 sind Moritz von Hutten und Stibar bei Camerarius in Tübingen zu Besuch.<br />

In Gesprächen bis tief in die Nächte hinein erörtern sie die gegenwärtige Situation und<br />

Nachrichtenlage; bei<strong>des</strong> präsentierte sich gemäß „MBW“ reichlich gemischt:<br />

Brief 1525, M. an Camerarius, 10. Jan. 1535:<br />

Camerarius soll M. über die Rüstungen <strong>des</strong> Kaisers gegen Frankreich unterrichten.<br />

Brief 1608, Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen an M., 17. Aug. 1535:<br />

Anbei auch für Luther neue Zeitungen über einen Sieg <strong>des</strong> Kaisers über Chaireddin<br />

Barbarossa in Tunis.<br />

Brief 1638, M. an Camerarius, 4.Okt. 1535:<br />

Vom Bruder <strong>des</strong> Kaisers, König Ferdinand in Wien, kommt die Nachricht, dass der<br />

Kaiser von Afrika komme, um über ein Konzil zu verhandeln. M. fürchtet, dass<br />

Frankreich das Konzil verhindere, um den Kaiser in einen deutschen Krieg zu<br />

verwickeln.<br />

Brief 1640, M. an den englischen Gesandten Mont, 4.Okt. 1535:<br />

M. wünscht weitere Beratungen in einem durch die Könige einzuberufenden Religionsgespräch,<br />

da ein freies Konzil nicht zu erwarten sei.<br />

Brief 1643, M. an Bugenhagen?, 5.Okt. 1535:<br />

Nachricht, der Kaiser habe die Absicht, in Italien mit dem Papst über ein Konzil zu<br />

verhandeln. Desweiteren über die den Frieden hindernde antikaiserliche Politik <strong>des</strong><br />

Königs von Frankreich, angesichts deren Eintracht nötig wäre.<br />

Brief 1645, M. an Hieronymus Baumgartner, 11.Okt. 1535:<br />

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