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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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sodann seine Instruktion vom 13. Febr. 1522. Rüge, heißt es darin, dass ärgerlicher<br />

Zwiespalt entstand und entgegen dem Befehl <strong>des</strong> Kf. Neuerungen eingeführt wurden,<br />

die noch nicht mal dringlich waren, vor allem die Abschaffung der Bilder. …<br />

Kanzelpolemik ist verboten … Karlstadt darf nicht mehr predigen …<br />

Selbstredend wehrt man sich in Wittenberg. So gibt Luther Melanchthon den Rat, den<br />

Fürsten schlicht vor vollendete Tasachen zu stellen. Das Grollen aus der fürstlichen<br />

Kanzlei erfolgt prompt. Er wünsche nicht, lässt der Fürst wissen, dass künftig ein<br />

Pfarrer aus seinem Amt entfernt werde, bevor nicht Rücksprache mit ihm genommen<br />

wurde.<br />

Fürstliche Einrede, die jedoch nicht allein vom Willen zur Macht best<strong>im</strong>mt wird, sondern<br />

auch notwendig ist, um die Reformierung am Leben zu erhalten; das Fallbeil der<br />

Ketzerei schwebt über den Protestierenden. Seit dem Edikt „Cum ad conservandum“<br />

Kaiser Friedrichs II. aus dem Jahr 1224 gehört es zu den kaiserlichen Pflichten –<br />

freilich auch Rechten, zum Schutz <strong>des</strong> Glaubens gegen Häretiker vorzugehen und sie<br />

zu bestrafen. Luther, Melanchthon und die übrigen Reformatoren wollen die Reinigung<br />

der Kirche voranbringen, ihr Fürst hingegen sieht das politische Umfeld, das<br />

gegenwärtig Machbare, das aktuell Zulässige. Denn neben dem „reinen Evangelium“,<br />

bzw. dem „sündhafte Machtmissbrauch der Päpste“ geht es auch um eine gewaltige<br />

Besitzumschichtung. Die Grundlinie dabei, von der die protestierenden Fürsten<br />

gegenüber dem Kaiser folglich nicht abweichen, freilich auch nicht abweichen dürfen,<br />

lautet: „Demütig erwarten wir ein reformorientiertes Konzil, sehen uns aber durch die<br />

Fürsorge gegenüber unseren Untertanen gezwungen, bis dahin zumin<strong>des</strong>t die<br />

schl<strong>im</strong>msten Auswüchse sündhafter Religionsausübung zu beschneiden.“<br />

Wohlwissend, dass Rom niemals ein freies Konzil einberufen wird, um sich dann<br />

wegen Sündhaftigkeit anklagen zu lassen, und auch, dass der Papst niemals der<br />

Argumentation folgen würde, er sei nicht mehr als nur der Bischof von Rom.<br />

Und während die breite Öffentlichkeit sich weiter über Reformen bzw. über lutherische<br />

Ketzerei erregt, brüten die protestantischen Fürsten über dem Schachbrett. Das Spiel<br />

„Rom gegen Wittenberg“ darf sich nicht auf dem Schlachtfeld entscheiden – zumin<strong>des</strong>t<br />

nicht in diesen Jahren.<br />

Niemand ist artiger gegenüber dem Kaiser <strong>im</strong> ersten Jahrzehnt nach Worms als die<br />

protestantischen Fürsten, sie bleiben ihm den Gehorsam – soweit festgeschrieben,<br />

nicht schuldig. Dazu spielen sie auf der nationalen Klaviatur die Zeitgeistjedermannsmelodie<br />

„Los von Rom!“, und mit dem Zugriff auf kirchliches Vermögen reizen sie die<br />

abseits stehenden, unentschlossenen Fürsten, sich ihnen anzuschließen. Ein Anreiz,<br />

der schließlich selbst in die kaiserliche Familie hineinwirkt. Am 6.Juli 1537 schreibt<br />

Melanchthon, dass der Gesandte (Gallus Müller) König Ferdinands (Bruder <strong>des</strong><br />

Kaisers) fordert, auf dem Konzil in Mantua die freie evangelische Lehre, Laienkelch,<br />

Priesterehe und ein Verbot für Klöster, Erbschaften anzutreten, zu beschließen.<br />

Wurden anfangs noch viele Entscheidungen Luther, Melanchthon sowie den übrigen<br />

Wittenberger Professoren überlassen, bzw sie bei Entscheidungen hinzugezogen, an<br />

Hand „MBW“ lässt sich verfolgen, wie das freie Florettieren nach und nach in die<br />

Bahnen einer ordentlichen Verwaltung gelenkt wird. Über 600 Ehegutachten habe er in<br />

den letzten Jahren gefertigt, notiert Melanchthon um 1532, zwei Jahrzehnte später<br />

werden die Fälle <strong>im</strong> Konsistorium beraten. Wobei der Fürst nicht allein in der<br />

Universität die Wände laufend zurechtrückt. Adelige Studenten, deren Familien bis<br />

dato das Privileg eines Stipendiums besaßen, sehen sich plötzlich mittellosen<br />

Studenten gleichgestellt; nicht anders als diese müssen sie in der fürstlichen Kanzlei<br />

um Gewährung <strong>des</strong>selben bitten und noch mal später, nicht anders als ihre armen<br />

Kommilitonen, auch ein Empfehlungsschreiben beibringen.<br />

Die Ehe-Fälle lesen sich übrigens recht witzig, dazu aus Band 3 ein Gutachten für<br />

Georg Spalatin in Altenburg vom 10. Dez. 1543: Bastian Mulner hatte in We<strong>im</strong>ar Anna<br />

Graf geheiratet, die aber am dritten Tag der Ehe zu einem Naumburger Priester<br />

entlief, von dem sie drei Kinder hat. Bastian Mulner heiratete eine andere. Der<br />

Entscheid dazu lautet: die erste Frau ist vorzuladen und zu verurteilen; die zweite Ehe<br />

ist gültig.<br />

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