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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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„Er ist bürtig gewesen auß e<strong>im</strong> flecken Knütling / ligt <strong>im</strong> Wirtemberger lande an der<br />

Pfältzischen grentze.“ hält Lerche<strong>im</strong>er selbstbewusst dagegen und fordert Faktentreue<br />

ein.<br />

Damit bestätigt er, was ohnehin anzunehmen ist und in „Melanchthon schweigt“ bereits<br />

angesprochen wurde:<br />

In ersten lutherischen Kreisen, zu denen auch Lerche<strong>im</strong>er gehörte, wusste man über<br />

die Eckdaten <strong>des</strong> historischen <strong>Faust</strong>s sehr gut Bescheid. Desweiteren hatte der<br />

Umstand, dass Knittlingen die He<strong>im</strong>at jenes Teufelsbündners gewesen war, gewiss<br />

auch zu Fragen und Meldungen <strong>des</strong> Pastors an seine Vorgesetzten geführt. Denn dass<br />

ein Pastor in Knittlingen seinen Dienst versah und ihm niemals „<strong>Faust</strong>geschichten“ zu<br />

Ohren gekommen wären, das anzunehmen, widerspräche aller Erfahrung<br />

menschlichen Zusammenlebens.<br />

Ebenso müssen der Kirchenleitung die Umstände seines Ablebens bekannt gewesen<br />

sein, Manlius liefert einen erstaunlich detaillierten Bericht. Dass die „Z<strong>im</strong>mersche<br />

Chronik“, 25 Jahre nach <strong>Faust</strong> Tod geschrieben, bis heute das einzige Indiz ist, das<br />

von <strong>Faust</strong> Tod bei Staufen spricht, bis 1869 in der Fürstenbergischen Bibliothek in<br />

Donaueschingen schlummerte, besagt nicht, dass die Lutherische Kirche es nicht<br />

bereits vorher wusste. <strong>Faust</strong> war eine hoch relevante Person, sozusagen eine VIP, er<br />

war der Mann, von dem behauptet wurde, dass er den hoch verehrten Martinus Luther<br />

verderben wollte. <strong>Faust</strong> war ein ranghoher Terrorist, Anführer einer Dämonenhorde,<br />

einer, über den man besser Bescheid wusste.<br />

Des Weiteren drängt sich grundsätzlich der Verdacht auf, von lutherischer Seite<br />

wurden <strong>Faust</strong>-Beweise auch unterdrückt. Spätestens mit Entstehung der „Historia“, als<br />

<strong>Faust</strong>belege gesammelt, sortiert und aussortiert wurden, wurden Belege, die dem<br />

theologischen Anliegen nicht dienlich waren, wahrscheinlich auch „weg geschöpft“.<br />

Nicht allein, weil beispielsweise nie jemand notierte, dass der Medicus <strong>Faust</strong> auch zu<br />

heilen verstand, es sei auch daran erinnert – selbst wenn es kein Beweis ist, von den<br />

zahlreichen Briefen, die Georg Schwarzerd nach Wittenberg oder der <strong>Faust</strong>-Freund<br />

Stibar an Camerarius schrieb, existiert kein einziger mehr. Und nicht genug, dass der<br />

Schriftverkehr Melanchthons sowie <strong>des</strong> Camerarius stark dez<strong>im</strong>iert wurde, die Widersprüche<br />

in den schriftlichen Zeugnissen über Luther sind derart, Autoren vermuten<br />

Eingriffe; angesichts der seinerzeitigen Teufels- und Zauberglauberei ist es auch wenig<br />

glaubhaft, dass in den „Reden bei Tisch“, über denen zum Leidwesen Käthes oft das<br />

Essen kalt wurde, der Doktor <strong>Faust</strong>us nur ein einziges Mal Erwähnung findet.<br />

Man sollte meinen, die derbsaftige, mehrseitige Kritik Lerche<strong>im</strong>ers hätte die Betreiber<br />

der „Historia“ unruhig gemacht – keine Spur! 1599 n<strong>im</strong>mt Georg Rudolf Widman eine<br />

beträchtliche Erweiterung der „Historia“ durch seine gelehrt orthodox-lutherischen<br />

Anmerkungen vor.<br />

Dass Lerche<strong>im</strong>er Knittlingen als Geburtsort und das Wirtenberger Land – nicht anders<br />

als Melanchthon, als jenen Landstrich bezeichnete, wo <strong>Faust</strong> ums Leben gekommen<br />

sei, es blieb ohne Wirkung auf <strong>Faust</strong>-Autoren. Neben den Orten Roda und K<strong>im</strong>lich in<br />

der „Historia“ sollten als Geburts- und Sterbeorte auch Köln, Waardenberg,<br />

Königsberg, Pratau an der Elbe in der Nähe von Wittenberg, oder Cappel <strong>im</strong> Lande<br />

Wusten an der Nordsee gehandelt werden. Nun daraus zu schließen, dass <strong>Faust</strong> zu<br />

seinen Lebzeiten diese Orte besuchte und „seinen namen jederman selbst bekannt<br />

gemacht“, die verschiedenen Autoren sich eventuell durch letzte Spuren örtlicher<br />

Überlieferungen autorisiert sahen, <strong>Faust</strong> mit jenen Orten in Verbingung zu bringen, ist<br />

hohe Spekulation. Auch führt sie in der Frage „Wer war <strong>Faust</strong>?“ nicht weiter.<br />

Was man dagegen unbeschwert folgern darf, <strong>Faust</strong> war Allgemeingut geworden, der<br />

Sünder <strong>Faust</strong> gehörte nun jedermann.<br />

Der Streit um die „Historia“ muss angedauert haben.<br />

Bereits 1624 urteilte Wilhelm Schickard, Professor für Hebraistik, in seinem Werk<br />

„Bechinath Happerusch<strong>im</strong>“ (Die Lichtkugel, eine Untersuchung rabbinischer<br />

Pentateuch-Kommentare), „die „Historia“ und auch <strong>Faust</strong>us (!), obgleich von ernst-<br />

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