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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Die Privilegierten nutzen also ihre Steuerfreiheit, um aus diesem Wettbewerbsvorteil<br />

heraus, Bauern und Bürger aus ihren herkömmlichen Erwerbszweigen zu drängen.<br />

Adel, Amtmänner, Geistliche sind privilegiert, ebenso die Klöster. Diese bunkern und<br />

spekulieren mit Getreide, und betreiben in den Städten Geschäfte und Schenken.<br />

Privilegiert zu sein, bedeutete jedoch mehr als nur Steuerfreiheit:<br />

„Wir haben hir 11 gefreite Häuser, teils dem Bischof, teils der Ritterschaft gehörig,<br />

dazu 8 gefreite Priesterhäuser. Daraus bishero nichts kommt an wache<br />

(Wachbereitschaft), frone, bethe noch ganz kain andere burgerliche mitleidung<br />

(Beteiligung).“<br />

Neben der wachsenden Unruhe unter den Bauern sowie unter der Bevölkerung in den<br />

Städten wächst auch der Unmut unter der Ritterschaft. Zwar sind sie noch <strong>im</strong>mer hoch<br />

angesehen, doch sind viele von ihnen verarmt, und nachdem sie zunehmend bei der<br />

Neuordnung unberücksichtigt bleiben, greifen sie, um ihren Lebensunterhalt zu<br />

bestreiten, verstärkt auf ihre alten Ehrenrechte zurück; Fehde, Straßenzoll – also Raub<br />

sowie Pfandnahme. Vertreter dieser drei Gruppierungen, nämlich Bauern, Städte und<br />

auch einige Ritter, werden sich <strong>im</strong> Großen Bauernkrieg zusammenschließen.<br />

Ein weiteres Problem sind die Scharen arbeitsloser Söldner, sie halten zeitweise<br />

ganze Landstriche besetzt.<br />

Die Unruhe, die Aufgebrachtheit – insbesondere <strong>im</strong> bevölkerungsstarken Südwesten<br />

Deutschlands gemahnt stark an die Zustände um 1200, wie sie damals in Italien, in<br />

Südfrankreich und in den Landschaften auf beiden Seiten <strong>des</strong> Rheins geherrscht<br />

hatten. Damals hatten sich Kaiser und Papst über die Einführung der Folter und <strong>des</strong><br />

Feuertods auf ein entschiedenes Vorgehen gegen die sogenannten Ketzer verständigt<br />

und hatten damit Erfolg gehabt.<br />

Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass Papst Eugen IV. <strong>im</strong> Jahr 1437<br />

sowie <strong>im</strong> Jahr 1445 jeweils eine „Hexenbulle“ erlässt: klare Anweisungen der Unruhe<br />

hart entgegen zu treten. In diesen Jahrzehnten kommt es in Verbindung mit<br />

Missernten zwar in einzelnen Landschaften zur Jagd auf Hexen, doch die<br />

gewünschten umfassenden Hexenverfolgungen unterbleiben.<br />

Obgleich eine Bulle, genauer: „Littera Apostolica sub plombo“, das höchste päpstliche<br />

Sendschreiben, mit Blei feierlich gesiegelt, für jeden Gläubigen bindend ist.<br />

Doch die weltlichen und geistlichen Fürsten in Deutschland sind selbstbewusst<br />

geworden, sie haben über die Jahrhunderte nicht nur die harte Hand <strong>des</strong> Kaisers<br />

abgeschüttelt, sie gestatten auch dem Papst keinen Eingriff in ihre territorialen Rechte<br />

mehr – die Inquisitoren sind unmittelbar dem Papst unterstellt.<br />

Nun ohne die Mitwirkung der päpstlichen Inquisitoren umfassende Hexenverfolgungen<br />

durchzuführen, war in dieser Zeit allerdings nicht möglich, noch fehlte dafür <strong>im</strong><br />

deutschen Reich die breite Rechtsgrundlage. Statt<strong>des</strong>sen unterscheidet man neben<br />

dem straffreien Nutzzauber zwischen Schadzauber und Hexerei. Wobei Hexerei in<br />

kirchliche Zuständigkeit fällt, für die Ahndung von Schadzauber ist dagegen die<br />

weltliche Gerichtsbarkeit zuständig; die entsprechenden Zauber-Paragraphen sind<br />

dabei von Region zu Region stark verschieden.<br />

Wie stark das Interesse <strong>des</strong> Vatikans an den Vorgängen in Deutschland, freilich auch<br />

seine Befürchtungen waren, zeigt der erneute Vorstoß <strong>im</strong> Jahr 1484, die berühmte<br />

„Hexenbulle“ von Papst Innozenz VIII.<br />

Papst Innozenz VIII. war vor seiner Wahl zum Papst als Kardinal Giovanni Battista<br />

Cibo zuständiger Legat <strong>des</strong> Papstes für Deutschland gewesen, der vormalige<br />

Gesandte war also mit den innerdeutschen Zuständen bestens vertraut. Seine<br />

„Hexenbulle“ ist ein nochmaliges energisches Machtwort, wie mit den Unruhen –<br />

freilich auch wie mit dem Spott und der Kritik an der Kirche, umzugehen sei.<br />

In der heutigen Öffentlichkeit ist die Bulle ein schlagen<strong>des</strong> Beispiel für die geradezu<br />

unglaubliche Rückständigkeit der katholischen Kirche.<br />

Die Bulle belegt, dass der Vatikan um seinen Erhalt kämpfte.<br />

Dass der Vatikan von Hexen spricht, jedoch Unruhen meint, das nennt sich Politik.<br />

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