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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Und gerade Philipp Melanchthon schätzte nicht allein die Astrologie, sondern auch das<br />

Lesen in den Handlinien und das Lesen in der Physiognomie. Nicht anders als die<br />

Sterne, seien auch letztere Gottes Werk, nur dass ihre Ausdeutung eben nicht an<br />

Universitäten gelehrt wurde. Die Schriften dazu, wie z. B. „Physionomiae et<br />

Chiromantiae anastasis“ <strong>des</strong> Bolognesers Bartholomäus Cocles, er war Arzt, Chirurg,<br />

Astrologe und Chiromant, oder die 1522 publizierte „Introductiones apothelesmaticae“<br />

<strong>des</strong> Indagine, eine Einführung in die Astrologie und in die Weissagungslehre aus den<br />

Handlinien und den Gesichtszügen, hatten Lehrbuchcharakter.<br />

Johannes de Indagine (Johannes von Hagen) war Hofastrologe <strong>des</strong> Kurfürsten und<br />

Erzbischofs von Mainz.<br />

Die Proportionen der Hand, Längen der Linien, Ausprägung der Berge, die jeweiligen<br />

Tiefen und Winkel, das alles war durch Zahlen erfassbar und erhob das Handlesen in<br />

den Rang einer wissenschaftlichen Erkenntnismethode. Dasselbe galt auch für das<br />

Lesen in der Physiognomie.<br />

Die Zukunftsschau durch Hydromantie, Aeromantie, Pyromantie, erst recht durch Geomantie<br />

hatte in jener Zeit bereits deutlich an Ansehen verloren, quer durch alle<br />

Volksschichten stand die Chiromantie als Mittel den Charakter und die Zukunft zu<br />

erkunden in hohem Ansehen.<br />

So man sich dabei einer alten Frau anvertraute, hatte es den Ruch von Gehe<strong>im</strong>nis und<br />

Zauberei, senkte dagegen ein Dr. <strong>Faust</strong>us den Blick auf die Linien der gebotenen<br />

Hand, hatte es den Flair von Wissenschaftlichkeit.<br />

Wobei kein geringerer als eben Melanchthon, der das Wissen, das an einer Universität<br />

erworben wurde, höher schätzte als Intuition und Erfahrung, behauptet, dass <strong>Faust</strong><br />

seine Künste nicht in den „Hecken“, sondern an einer Universität erworben habe.<br />

Manlius notierte: „derselbige da er zu Crockaw in die Schul gieng / da hatte er die<br />

Zauberey gelernet.“<br />

Es wurde also nicht nur zwischen „Hecken“ und Universität unterschieden, sondern<br />

auch von Universität zu Universität.<br />

Die Matrikelbücher der Universität Krakau kennen unseren <strong>Faust</strong> nicht. Was aber den<br />

Lehrer Melanchthon nicht weiter kümmerte. Der Fall „<strong>Faust</strong>“ war klar, folglich<br />

gebrauchte er <strong>Faust</strong> nur noch zur lehrhaften Untermauerung. In diesem Sinne spricht<br />

er nicht von Astrologie und Chiromantie, er nennt es Zauberei und diffamiert die<br />

Krakauer Universität als Teufelsuniversität.<br />

Und auch von Buch zu Buch wurde unterschieden. Es gab eine Reihe verbotener<br />

Schriften und Bücher.<br />

Graf Froben Christoph, Mitautor der Z<strong>im</strong>merschen Chronik – von der noch berichtet<br />

werden wird, hatte sich um 1540 intensiv mit magischen Praktiken befasst, gestützt auf<br />

jene verbotene „Fachliteratur“. Als der Graf <strong>im</strong> Jahr 1541 an den Pocken erkrankte, hat<br />

er „sich … ain aidt geben, sich solcher verbottner, unchristenlicher und gotloser<br />

künsten hinfuro die zeit seines lebens zu enthalten.“<br />

Ob man nun <strong>Faust</strong>s eingeschränkte Reisefreiheit strikt über die Ausbreitung der sich<br />

stetig verschärfenden Gesetze nachzeichnet oder ob man die Frage gelassener<br />

angeht, da ein Dr. <strong>Faust</strong>us gewiss mehr Freiräume hatte als eine Hecken-Liesel, es<br />

scheint nicht derart bedeutsam.<br />

Der Manlius-Text lässt keine Zweifel, mit <strong>Faust</strong> wallte ein Gestank von Teufelswerk<br />

einher, in reformierten Landschaften war er seines Lebens gewiss nicht mehr sicher.<br />

Und selbst wenn man unterstellt, dass <strong>Faust</strong> in reformierten Landschaften zwar ein<br />

Reisender mit zweifelhaftem Ruf war, den man aber weitgehend unbehelligt ließ, so<br />

gab es für <strong>Faust</strong> keinen Grund mehr, diese Landstriche zu besuchen. Der Umgang mit<br />

einem Teufelshurer verbot sich für die neuen Christenmenschen; <strong>Faust</strong> hatte dort keine<br />

Kunden mehr.<br />

Nun könnte man die Diskussion über <strong>Faust</strong>s Reisefreiheiten auch vom Tisch wischen,<br />

indem man <strong>Faust</strong> unterstellt, er wäre eben nur noch als Astrologe tätig gewesen und<br />

obendrein unter falschem Namen gereist.<br />

Mag sein, dass er in einer brenzligen Situation sich kurz die Tarnkappe überstreifte,<br />

doch sich vorzustellen, dass er, der offenbar eine derartige Lust am Auftritt hat, bis ihn<br />

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