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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Nun eine Knittlinger „Grundschule“ ins Bild zu stellen, wo er zumin<strong>des</strong>t Lesen und<br />

Schreiben gelernt hätte, sodann zu vermuten, dass ihm ein fahrender Magier ein Buch<br />

überlassen, oder ein Pater <strong>des</strong> Klosters Maulbronn ihm Bücher geliehen hätte, ist<br />

bestenfalls nett. Ein Buch entsprechenden Inhalts kostete damals, trotz der Erfindung<br />

<strong>des</strong> Papiers und <strong>des</strong> beweglichen Buchdrucks, noch <strong>im</strong>mer ein Drittel <strong>des</strong> Preises<br />

eines von Hand geschriebenen Buches.<br />

Das min<strong>des</strong>te, was man <strong>Faust</strong> zugestehen muss, ist ein „Lehrer“, ein wie auch <strong>im</strong>mer<br />

gearteter „Unterweiser“. Folgerichtig wird ein „Fahrender Arzt und Nebulo“ angeboten,<br />

bei dem <strong>Faust</strong> nach Beendigung seiner Schulzeit einst auf dem Kutschbock Platz<br />

genommen, die Welt kennen gelernt und sich Wissen angeeignet hätte.<br />

Es liegt auf der Hand, der „Fahrende Magier“ versprach sich von seinem jungen<br />

Begleiter einige Vorteile. Der junge <strong>Faust</strong> muss sich neben seiner bescheidenen Schulbildung<br />

auch durch bereits erkennbare Talente und rechte Pfiffigkeit empfohlen haben;<br />

gewitzt waren sie damals schließlich alle, die sie täglich das Leben probten. Bedenkt<br />

man jedoch, wie umständlich und beschwerlich das Reisen mit einem Pferdewagen<br />

war, dann erscheint es als wenig wahrscheinlich, dass <strong>Faust</strong> sich nebenbei Latein<br />

beigebracht hat. Es sollte kein Zweifel bestehen, der vermutete „fahrende Magier“<br />

drückte seinem jungen Gehilfen nicht nur die Zügel in die Hand, er bürdete ihm auch<br />

die übrigen Arbeiten auf; das Füttern und Versorgen <strong>des</strong> Pferds, das Aufschlagen <strong>des</strong><br />

Quartiers, Boten- und Erkundungsgänge, das Wasserholen und natürlich auch das<br />

Kochen.<br />

Ein Auftritt <strong>des</strong> Magiers bedeutete dann gesteigerten Einsatz. Wenn abends die Kasse<br />

nicht st<strong>im</strong>mte, gab es nichts zu essen, sondern Fußtritte. Viele der überlieferten<br />

Kunststücke klingen selbst noch heute erstaunlich; letztlich sind sie nur durch einen<br />

he<strong>im</strong>lichen Helfer erklärbar. Keinem arglosen Zuschauer läuft unvermutet Wein aus der<br />

Nase, und ein Teufelskerl, der sich fesseln, in einen Sack stecken und von der Brücke<br />

werfen lässt, um keine Minute später „mit einem Polz aus dem Wasser zu schießen“,<br />

hat wahrscheinlich nicht nur einen Zwillingsbruder, sondern gleich mehrere stille Helfer.<br />

Freilich waren auch genug Vertreter dieser bunten Zunft allein zu Pferd unterwegs. Wer<br />

dem Publikum dagegen mehr bieten wollte, brauchte einen Wagen. Ein Helfer war<br />

dann unerlässlich, er bewachte Pferd und Wagen, er half be<strong>im</strong> Radbruch und agierte<br />

be<strong>im</strong> Auftritt <strong>des</strong> Nebulos. Nicht allein bei aufregenden Effekten, auch als Stichwortgeber<br />

aus der Mitte der Zuschauer und nicht selten als hinterlistiger Beutelschneider.<br />

Bei allem Respekt vor der unterstellten Wissbegierde, doch wo andere Abend um<br />

Abend ermüdet ins Stroh fielen, müsste <strong>Faust</strong> eine geradezu unbändige Energie<br />

besessen haben, um auch noch Latein zu lernen. Latein kann jeder lernen, doch es<br />

braucht seine Stunden, es ist ein Fleißfach. Und selbst wenn er es geschafft hätte,<br />

Latein bildete erst den Grundstock, um sich jenes Maß an Wissen und Bildung<br />

anzueignen, über welches <strong>Faust</strong> dem Anschein nach verfügt haben muss; er verkehrte<br />

in Augenhöhe mit Gebildeten. Belegt sind sein persönlicher Kontakt mit dem<br />

Fürstbischof von Bamberg und Prior Kilian Leib, es liegt nahe, er verkehrte auch mit<br />

Daniel Stibarius und Philipp von Hutten nicht allein über Briefe.<br />

Einen fahrenden Nebulo, Spassmacher, Gaukler oder Magier, als <strong>Faust</strong>s Unterweiser<br />

ins Spiel zu bringen, überzeugt auch <strong>des</strong>halb nicht so recht, da <strong>im</strong> allgemeinen keiner<br />

von ihnen in der Astrononomie und der Astrologie beschlagen war.<br />

Nun einen Wanderastrologen als Unterweiser für möglich zu halten, führt auch zu<br />

nichts, da dieser in der Regel keinen Helfer brauchte. Auch war er bereits vollauf damit<br />

beschäftigt, allein sich selbst durchs Leben zu bringen.<br />

Es liegt nahe, <strong>Faust</strong> hat zumin<strong>des</strong>t an einer Lateinschule jenes Fundament an Bildung<br />

erhalten, um darauf aufbauend sich weitere Bildung anzueignen.<br />

Es ist gesichert, dass damals in Bretten, sechs Kilometer von Knittlingen entfernt, eine<br />

Lateinschule existierte. Nun anzunehmen, weil eine Lateinschule in Knittlingen nicht<br />

belegt ist, dass es in Knittlingen keine Lateinschule gab, ist nicht schlüssig. Auch wenn<br />

Kinderarbeit Bestandteil der Arbeitswelt war, es gab wohlhabende Familien – es wurde<br />

Weinbau betrieben – sie legten Wert auf die Ausbildung ihrer Söhne.<br />

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