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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Im selben Moment wo Melanchthon für seinen eigenmächtigen Briefwechsel zurechtgestutzt<br />

wird, pflegen sie selbst eifrige Korrespondenz mit dem König von Frankreich,<br />

dem Kontrahenten ihres Kaisers.<br />

Bei allen merkwürdigen Dunkelfeldern seiner Wahrnehmung, Melanchthon weiß zu<br />

leben. Zur Heirat müssen ihn zwar die Freunde überreden, er willigt ein, weil auch die<br />

Natur in ihm sei, nachfolgend beklagt er sich noch ein wenig, dass die Ehe wenig mit<br />

seinen Studien zu tun hätte, doch akzeptiert er dann rasch. Dazu gibt es Bier und Wein<br />

und Wildschweine – Präsente verschiedener Städte und Fürsten, man lädt sich ein zum<br />

Hasenessen, so ein Kandidat seinen Doktortitel erlangt, sitzt man be<strong>im</strong> Doktorschmaus<br />

zusammen und <strong>im</strong> Falle einer Hochzeit fragt man bei Hofe an, ob nicht wieder Wildbret<br />

spendiert werde. Der Überfluss ist derart, dass er wählerisch ist: den Lachs mag er<br />

nicht so gern, das Bier soll ein anderer trinken.<br />

Was nichts daran ändert, dass Melanchthon bis zum letzten Tag seines Lebens in der<br />

Pflicht bleibt, er von der Pflicht nahtlos in den Tod tritt. Ironie der Geschichte, das letzte<br />

seiner vielen Gutachten fertigt er für den sogenannten „protestantischen Erzfeind“, den<br />

Kaiser. Der Papst hatte die Rechtmäßigkeit der Wahl König Ferdinands zum Kaiser in<br />

Abrede gestellt, Rom hätte ein Wörtchen mitzureden gehabt. Melanchthon weist nach,<br />

Rom hat bei der Wahl selbst nichts mitzureden.<br />

Melanchthon, der kostbare Mann, den Rom seit Jahren zu umgarnen sucht, den der<br />

Kaiser sich so dringend als Kriegsbeute in die Tasche stecken wollte, den auch der<br />

neue Kurfürst von Sachsen – ganz gleich wie viel Druck der siegreiche Kaiser in der<br />

Inter<strong>im</strong>szeit auch machte, nicht aus Wittenberg fortlässt, <strong>des</strong>sen Scharfsinn schließlich<br />

auch Kaiser Ferdinand, Bruder und Nachfolger Karls V., zur Verfügung gestellt wird.<br />

Melanchthon! Der Mann, der dem Protestantismus über so viele Hürden hinüber half,<br />

<strong>des</strong>sen dienstfertigen Scharfsinn der „fromme vnd löbliche Fürst Hertzog Johannes“<br />

allerdings auch benutzte, um sich ins offene Unrecht zu begeben.<br />

Mit Beginn <strong>des</strong> dritten Jahrzehnts <strong>im</strong> Protestantismus hatte der sächsische Kurfürst<br />

neuen Appetit bekommen.<br />

Verständlich, die fortlaufenden Provokationen und Beleidigungen <strong>des</strong> Kaisers zeigten<br />

keine Folgen, der Kaiser ist weiterhin an allen Fronten beschäftigt, und nicht allein,<br />

dass Rom sich keinem freien Konzil stellen will, es fährt weiterhin einen antikaiserlichen<br />

Kurs. Also fasst der sächsische Kurfürst den Plan, sich das Bistum Naumburg-Zeitz<br />

anzueignen. Er bittet Melanchthon, der gerade seine Taschen für die Abreise zum<br />

Reichstag von Regensburg packt, sich schon mal seine Gedanken „umb die Zeit“<br />

darüber zu machen. Gedanken, die Melanchthon wiederum und wieder einmal<br />

überhaupt nicht behagen.<br />

Und so schreiben dann Johannes Bugenhagen, Caspar Cruciger und Melanchthon in<br />

Dok. 2835 von Anfang Nov. 1541, dem zu diesem Vorhaben angefordeten Gutachten:<br />

Bei der grundlegenden Bedeutung <strong>des</strong> Bischofsstan<strong>des</strong> für den Katholizismus, die<br />

jüngst auch in Regensburg zum Ausdruck kam, wird die Aufhebung eines Bistums nicht<br />

wie die der Klöster hingenommen werden, sondern der Kaiser und andere Potentaten<br />

werden um Hilfe ersucht und ein Krieg wird auch von den Friedlichsten befürwortet<br />

werden, zumal die Verfassung <strong>des</strong> deutschen Reiches verändert würde.<br />

So man einen Melanchthon <strong>im</strong> Portefeuille hat, gibt man eben ein zweites Gutachten in<br />

Auftrag. Und Melanchthon formuliert dann auch hurtig, dass unter Berücksichtigung der<br />

bisherigen Amtsführung <strong>des</strong> Bistums, … in Betrachtung der Rechte, wie sie bis dato<br />

durch das Bistum wahrgenommen wurden, … so man bei der Vorgehensweise<br />

folgende Punkte beachte …<br />

Als Reaktion auf diesen Raub passiert gleichsam nichts. Das hätte den Kurfürsten<br />

nachdenklich st<strong>im</strong>men müssen. Denn umso mehr tat sich hinter verschlossenen Türen,<br />

denn nun lag frei, was bis dahin gleichsam ein offenes Gehe<strong>im</strong>nis gewesen war, die<br />

protestantischen Fürsten waren Räuber von Kirchengut. Und der Schmalkaldische<br />

Bund war keineswegs die Wagenburg wahrer Christen, aber die Wehr, um diese<br />

Räubereien zu decken. Der Kaiser ließ Kriegspläne skizzieren und überarbeitete – für<br />

den Fall seines Sieges, die Liste der Kurfürsten und Fürsten. Später wird man von<br />

einem abgekarteten Spiel sprechen.<br />

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