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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Folglich durfte sich <strong>Faust</strong> gegenüber Prior Leib auf die Sterne berufen: „wann Sonne<br />

und Jupiter <strong>im</strong> gleichen Grad eines Sternzeichen stehen, dann werden Propheten<br />

geboren…“<br />

Man könnte annehmen, dass <strong>Faust</strong>, nicht anders als seine Zeitgenossen, an die<br />

Möglichkeit der Astrologie glaubte, nur dass er eben bei der Ausdeutung gewitzter<br />

war. Eine Annahme, die freilich fehl geht; wo nichts ist, hilft auf Dauer auch keine<br />

Gewitztheit. Möglicher Weise liegt der Witz jedoch in der Kunst der Formulierung.<br />

Wie sollte <strong>Faust</strong> sich auch helfen, als Philipp von Hutten sein Reisehoroskop für Südamerika<br />

bei ihm bestellte. Eine Aussage wie: „…werdet Ihr nach hartem Kampf mit<br />

Wind und See glücklich <strong>im</strong> Hafen von Coro landen!“, ist einfach nur riskant, ganz<br />

gleich wie günstig er als Astrologe die Sterne <strong>des</strong> Kunden beurteilte. Stürme, Meuterei<br />

und Schiffbruch gleich mit ein zu kalkulieren, konnte nicht falsch sein: „Neptun rührt<br />

gewaltig. Äolsharfenklänge enden <strong>im</strong> Klirren zwischen Mars und Saturn. Dank<br />

mannhaftem Unverzagen grüßen die Sterne über Venezuela.“<br />

Wir wissen nicht, wie <strong>Faust</strong> die Geneigtheit der Sterne ausformulierte, wir besitzen<br />

kein einziges Schriftstück <strong>des</strong> Doktor <strong>Faust</strong>us. Wir entnehmen Philipp von Huttens<br />

Brief, dass <strong>Faust</strong> große Schwierigkeiten für Philipp in Südamerika prognostiziert hatte.<br />

Philipp von Hutten glaubte noch, dass <strong>Faust</strong> es „schier troffen hat“, 1546 wusste sein<br />

Bruder Moritz von Hutten, Fürstbischof von Eichstätt und Empfänger <strong>des</strong> Schreibens,<br />

dass <strong>Faust</strong> es ganz und gar nicht „troffen hat“.<br />

Philipp von Hutten hatte in Spanien den Konquistador Pizarro kennen gelernt und war<br />

1534 <strong>im</strong> Auftrag der Welser mit 600 Söldnern nach Venezuela aufgebrochen, um nun<br />

ebenfalls als Konquistador nach dem „El Dorado“ zu suchen. 1546 waren seine<br />

Söldner tot, ihn selbst hatte sein spanischer Konkurrent, Juan de Carvajal, ermordet.<br />

Übrigens, Philipp und Moritz von Hutten sind Vettern jenes Ulrichs von Hutten; Ulrich<br />

war jedoch in der Rhön, auf der kleinen Steckelburg zu Hause.<br />

Dass <strong>Faust</strong> als Astrologe überfordert ist, geht auch aus dem Brief <strong>des</strong> hochgelehrten<br />

Joach<strong>im</strong> Camerarius vom 13. 8. 1536 an Daniel Stibarius hervor:<br />

„Aber was sagt uns jener (<strong>Faust</strong>) endlich? Und was noch? Ich weiß nämlich, dass du<br />

dich sorgfältig nach allem erkundigt hast. Siegt der Kaiser? So muss es freilich<br />

geschehen.“<br />

Die Delikatesse dieser dringlichen Anfrage, es geht um eine Schlacht, die niemals<br />

geschlagen werden wird. Was nichts daran ändert, dass Camerarius, der Protestant,<br />

und Stibar <strong>im</strong> katholischen Würzburg, sich für das kommende Kriegsgeschehen<br />

brennend interessieren. Solange ein Krieg dem Kaiser die Hände bindet, solange wird<br />

es auch <strong>im</strong> Konfessionsstreit nicht weitergehen.<br />

„Siegt der Kaiser?“ Die Frage ist gestellt. <strong>Faust</strong>, der sonst so beschlagen ist, zögert.<br />

Er spielt, so scheint es, auf Zeit.<br />

„wenn er dich doch lieber ein bisschen von dieser Kunst gelehrt haben möchte“ tadelt<br />

Camerarius, „die er mit etwas Wind <strong>des</strong> nichtigsten Aberglaubens aufgeblasen, oder<br />

ich weiß nicht welcher Gaukelei aufrechterhalten haben möchte. Aber was sagt uns<br />

jener endlich?“<br />

<strong>Faust</strong> liefert nicht, er rührt <strong>im</strong> Aberglauben. Und da ganz offensichtlich weder Stibarius,<br />

noch Camerarius, noch ihrer beider gebildeter Anhang, es mit <strong>Faust</strong>s astrologischen<br />

Künsten aufnehmen können, müssen sie es sich gefallen lassen, dass <strong>Faust</strong> von<br />

abergläubischen Dingen zwischen H<strong>im</strong>mel und Erde faselt, von denen sie schlicht<br />

keine Ahnung haben.<br />

Man kann diese interessante Situation nicht genug würdigen. Stibarius gehört offensichtlich<br />

zu jenen, die auf <strong>Faust</strong>s Fähigkeiten vertrauen. Camerarius selbst zählte sich<br />

offenbar nicht zu <strong>Faust</strong>s Freunden, wobei er als Protestant und Humanist ohnehin<br />

Distanz gegenüber <strong>Faust</strong> zu demonstrieren hatte.<br />

Dass sein „Stibare chariss<strong>im</strong>e“, sein allerliebster Stibar, mit <strong>Faust</strong> auf vertrautem Fuß<br />

lebt, weiß er aber genau, und er nutzt jetzt diese gute Beziehung zwischen <strong>Faust</strong> und<br />

Stibar, mögen auch sonst Welten zwischen ihm und <strong>Faust</strong> liegen.<br />

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