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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Oder bedeutet der Satz sogar, dass Virdung bereits persönlich mit <strong>Faust</strong> gesprochen<br />

hat? Denn die Formulierung „die schriftliche Aufzeichnung seiner Torheit, welche er dir<br />

gab“, kann auch so verstanden werden, dass <strong>Faust</strong> und Virdung sich unterhielten,<br />

beispielsweise über eine astrologische Ausdeutung, und <strong>Faust</strong> seinen Standpunkt <strong>im</strong><br />

Nachhinein auch noch schriftlich fasste und Virdung zuschickte.<br />

Ganz gleich, wie man diese Textstelle versteht, Virdung ist bereits <strong>im</strong> Besitz einer<br />

Aufzeichnung aus <strong>Faust</strong>s Feder; er weiß also schon einiges über <strong>Faust</strong>. Diese<br />

geradezu aufdringliche Flut an Informationen brauchte es nicht mehr.<br />

Betrachtet man sich den Brief von seinem inhaltlichen Aufbau her, stellt man fest: das<br />

Schreiben ist angenehm übersichtlich, es hat Struktur. Persönliche Einschätzungen<br />

einerseits und Fakten andererseits liegen in Blöcken getrennt. Es herrscht Ordnung.<br />

Allerdings von einer Art, die beunruhigt; der Brief ließe sich auch als Materialsammlung<br />

für eine Anklageschrift verwenden.<br />

Könnte es sein, dass in diesem scheinbar privaten Schreiben die Ermittlungsergebnisse<br />

<strong>des</strong> Visitators Johannes Trithemius enthalten sind?<br />

Trithemius nennt in der ersten Hälfte <strong>des</strong> Schreibens <strong>Faust</strong>s angemaßte Titel:<br />

„Magister Georg Sabellicus, <strong>Faust</strong> der Jüngere, Quellbrunn der Nekromanten, Astrolog,<br />

Zweiter der Magie, Chiromant, Aeromant, Pyromant, Zweiter in der Hydromantie.“<br />

Diesem Block voran- sowie nachgestellt ist die persönliche Einschätzung, dass <strong>Faust</strong><br />

„ein leerer Schwätzer“ und „in Wahrheit in allen guten Wissenschaften unwissend ist.“<br />

Der Titelblock ist also durch identische Einschätzungen gerahmt.<br />

Trithemius, der sonst so akkurat auflistet, hat allerdings vergessen zu notieren, dass<br />

<strong>Faust</strong> auch Arzt war, wie uns Begardi in seinem „Index sanitatis“ berichtet.<br />

Sodann sch<strong>im</strong>pft Trithemius <strong>Faust</strong> als in allen guten Wissenschaften unwissend, listet<br />

jedoch die Astrologie als eine jener „Wissenschaften“ auf, in welchen <strong>Faust</strong> unwissend<br />

sei. <strong>Faust</strong>, es wurde bereits erwähnt, war vermutlich ein beschlagener Astrologe, also<br />

keineswegs generell unwissend, ganz abgesehen davon, dass ihn der Astrologe<br />

Johannes Virdung dringlich erwartet – vielleicht weil er <strong>des</strong>sen astrologischen Rat<br />

braucht.<br />

Das Rätsel, warum Trithemius einen Beruf vergisst, sodann <strong>Faust</strong> in der damals<br />

anerkannten Wissenschaft der Astrologie als unwissend bezeichnet, wird auf den<br />

nächsten Seiten eine Antwort finden.<br />

In der zweiten Hälfte <strong>des</strong> Briefes gibt Trithemius einige Aussagen <strong>Faust</strong>s wieder und<br />

benennt dazu Ort, Zeit und Begleitumstände.<br />

Trithemius berichtet auch, <strong>Faust</strong> habe sich zwe<strong>im</strong>al durch Flucht der Obrigkeit<br />

entzogen. Einmal vor ihm, dem Abt, „floh er alsbald aus der Herberge und konnte von<br />

niemand überredet werden, sich mir vorzustellen.“<br />

Trithemius will damit sagen, dass <strong>Faust</strong> auf Grund „vieler von ihm mit großer Frechheit<br />

ausgeführter Nichtsnutzigkeiten“ befürchtete, in der Herberge festgehalten und der<br />

Policey übergeben zu werden.<br />

In der damals praktizierten Strafverfolgung konnte jedermann und jedefrau, selbst ohne<br />

dass sie unmittelbar eine strafbare Handlung begangen hatten, festgenommen werden.<br />

Auf Grund der sozialen Schieflage war die Kr<strong>im</strong>inalität hoch, eine überregionale Polizei<br />

gab es nicht, also behalf man sich über den Verdacht, dass jemand eine<br />

„landschädliche Person“ sei. Der Argwöhnende musste sechs „Ei<strong>des</strong>helfer“ beibringen,<br />

die ebenfalls der Meinung waren, dass es sich um eine „landschädliche Person“<br />

handele.<br />

Damit war der Betreffende schuldig, er musste nur noch dem Richter überstellt werden.<br />

Sodann wurde er verhört, dabei auch gefoltert, um anhand seiner Geständnisse die<br />

rechte Strafe zu bekommen.<br />

Ein anderes Mal floh <strong>Faust</strong> aus Kreuznach „als die Sache ans Licht kam, der ihm<br />

drohenden Strafe.“ Die „drohende Strafe“ ist wohl so zu verstehen, dass das Strafmaß<br />

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