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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Es muss erwähnt werden, der <strong>Faust</strong>forscher Günther Mahal sieht in dem bewussten<br />

Schreibfehler „<strong>Faust</strong>en“ kein Problem, er verweist auf Cunrad Dieterichs „Ecclesiastes“<br />

von 1642. Darin heißt es: „Johann <strong>Faust</strong>en / der endtlich / da er lang gekünstlet / vom<br />

Teuffel an Stucken in se<strong>im</strong> Heymath bei Knittlingen zerrissen.“<br />

Dem kann entgegen gehalten werden, „Ecclesiastes“ wurde hundert Jahre später<br />

geschrieben. Der Umgang mit der Sprache hatte sich verändert, <strong>des</strong> weiteren unterlag<br />

die „Ecclesiastes“ nicht den Regeln der Urkundensprache, eine Freiheit, die Dieterichs<br />

wohl auch nutzte, „<strong>Faust</strong>en“ klingt großartiger als „<strong>Faust</strong>us“.<br />

Der Streit ist nicht weiter tragisch, selbst wenn es „<strong>Faust</strong>us“ hieße, es würde nur<br />

beweisen, dass dort irgendwann vor 1542 ein Bub mit dem Familiennamen „<strong>Faust</strong>“<br />

geboren wurde, doch um welchen <strong>Faust</strong> es sich dabei handelte, das bliebe letztlich –<br />

selbst wenn er <strong>im</strong> <strong>Faust</strong>haus geboren wurde – stets mit einem Fragezeichen behaftet.<br />

Es fehlt die zweite Information, die diesen <strong>Faust</strong> unverwechselbar zu unserm <strong>Faust</strong>, zu<br />

jenem <strong>Faust</strong> macht, der in Krakau die Zauberei lernte, der Luther verderben wollte.<br />

Denn „<strong>Faust</strong>“ war ein gängiger Name in der Region, er ist für die damalige Zeit belegt<br />

und auch noch heute vertreten.<br />

So gesehen könnte man den <strong>Faust</strong>bezug fallen lassen, die Abschrift wieder in den<br />

Stand einer mittelalterlichen Kaufurkunde erheben; schließlich gab es eine Urkunde <strong>im</strong><br />

Original, sie lag dem Bürgermeister vor.<br />

Das ist leider nicht möglich, Karl Weisert hat nicht den vollen Text abgeschrieben,<br />

sondern lediglich den voraus zitierten Passus; jenen Abschnitt der Urkunde, der einen<br />

„<strong>Faust</strong>“ betrifft.<br />

Die Beglaubigung lautet: „Die Richtigkeit der vorgezeigten Abschrift <strong>des</strong> <strong>im</strong> Keller <strong>des</strong><br />

Knittlinger Rathaus in einer Kiste gefundenen Kaufvertrags vom Jahr 1542 (betr.<br />

Geburtshaus <strong>des</strong> Dr. <strong>Faust</strong>) wird aufgrund vorgelegten Kaufbriefes bescheinigt.“<br />

Abgesehen davon, was ein Notar dazu meint, es wird eine Paraphrase als „Abschrift“<br />

beglaubigt, sodann dass der Kaufbrief das Geburtshaus <strong>des</strong> Dr. <strong>Faust</strong> betrifft, und nicht<br />

zuletzt auch der Fundort; ein Zeuge, der bei der Auffindung der Urkunde zugegen war,<br />

wird jedoch nicht genannt. Im Übrigen sei die Frage gestattet, wie viel Erfahrung hatte<br />

der Bürgermeister mit alten Urkunden? Woraus resultierte seine Sicherheit zu wissen,<br />

dass es sich beispielsweise nicht um eine rückdatierte Anfertigung aus dem Jahr 1580<br />

handelte?<br />

Wie auch <strong>im</strong>mer, der Vorgang deutet auf ein vertrauensvolles Verhältnis der beiden<br />

Männer; unten wurde gefunden, oben wurde beglaubigt.<br />

Demjenigen, der sich daran stört, dass eine mit Bleistift geschriebene Paraphrase<br />

beglaubigt wurde – wo ein Bleistift, ist schließlich ein Radiergummi nicht weit, darf sich<br />

beruhigen, die Verwendung eines Bleistifts schließt eine beglaubigungsfähige Abschrift<br />

nicht aus.<br />

Dennoch, ein engagierter He<strong>im</strong>atforscher entdeckt eine Urkunde, die <strong>im</strong>merhin 400<br />

Jahre alt ist und bescheidet sich mit einem Bleistift? Müsste ihm nicht das Herz<br />

aufgehen? War der Fund nicht großartig genug, eine schmucke Abschrift <strong>des</strong> vollen<br />

Wortlauts vorzunehmen? Mit Tinte und in Schönschrift! schließlich war Karl Weisert<br />

auch Lehrer.<br />

Was sollte eine beglaubigte „Bleistift-Abschrift“ zudem bezwecken? Zur Vorlage in<br />

einem Amt, wäre sie akkurat mit der Feder oder gar mit einer Schreibmaschine<br />

geschrieben worden. Für den Handgebrauch, oder um sie in der abendlichen<br />

Schoppenrunde herum zu reichen, dafür hätte es keine Beglaubigung gebraucht.<br />

Die Abschrift nun als „Mystifikation“ abzutun, geht wohl zu weit. Die Angelegenheit ist<br />

rätselhaft, und je weiter man vordringt, <strong>des</strong>to verworrener wird sie.<br />

Die Formulierung „vf dem berg neben der Cappel“ findet sich auch in der Urkunde<br />

eines Conrad Croner von 1433: „uff dem berg neben der Kapellen“. Es liegen hundert<br />

Jahre zwischen beiden Texten, die Einwohnerzahl Knittlingens war um 1540 auf 2000<br />

Menschen angewachsen. Hatte sich die Kapelle nicht zu einer Kirche entwickelt?<br />

„Eynseit <strong>des</strong> Jörgen Gerlachen seelig behausung, allwo <strong>Faust</strong>en born“ heißt es in der<br />

Abschrift. Doch warum heißt es nicht „Familie Gerlachen behausung“? Was hat es mit<br />

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