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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Viele seiner Zeitgenossen sahen ihn mit dem Teufel <strong>im</strong> Bunde. Spätere Generationen<br />

mit ihrem eigenen, selbstredend anderen Weltbild, begriffen <strong>Faust</strong> nur noch als zutiefst<br />

sündigen und verworfenen Menschen. Und noch mal spätere Generationen stuften ihn<br />

als Egomanen, titelsüchtigen Psychopathen, Selbstdarsteller und ähnliches mehr ein.<br />

Man muss bei <strong>Faust</strong> genau hinschauen. Wenn er es mit der allgemeinen Bevölkerung<br />

zu tun hat, auf der Straße, auf dem Marktplatz, wenn er in der Gaststube „schwatzt“,<br />

ist er seiner Zeit entsprechend geradezu hemmungslos.<br />

Betrachtet man sich dagegen den Brief <strong>des</strong> Joach<strong>im</strong> Camerarius an Daniel Stibarius<br />

vom 13. 8. 1536 oder den Brief aus Venezuela <strong>des</strong> Philipp von Hutten an Moritz von<br />

Hutten vom 15. 1. 1540, so finden sich nicht die geringsten Hinweise darauf, <strong>Faust</strong><br />

hätte sich in irgendeiner Weise ungebührlich benommen.<br />

<strong>Faust</strong> glänzte also keineswegs nur mit gewagten Sprüchen, er wusste das Niveau<br />

seiner Rede auf die jeweilige Situation einzustellen; er war nicht steuerlos enthemmt.<br />

Das Bild einer durchweg krankhaften Person, das sich be<strong>im</strong> ersten Lesen <strong>des</strong><br />

Trithemius-Briefes dem heutigen Leser aufdrängt, ist falsch. <strong>Faust</strong> hatte sich durchaus<br />

<strong>im</strong> Griff – auch bei der Anfertigung seiner Visitenkarten.<br />

Betritt er Universitätsstädte wie Erfurt und Ingolstadt, schmückt er sich mit dem<br />

Hinweis auf die Universitätsstadt Heidelberg, <strong>im</strong> Kloster Rebdorf tritt er hingegen als<br />

Geistlicher auf. Be<strong>im</strong> Fürstbischof von Bamberg gibt er der Türklinke als „Doctor<br />

<strong>Faust</strong>us Philosophus“ die Hand; das klingt bescheiden. Mehr sei schließlich auch nicht<br />

notwenig, nachdem er sich in der Gunst Seiner Gnaden sonnt, möchte man meinen.<br />

Diese Bescheidenheit ist nur eine scheinbare. <strong>Faust</strong>, der mit einem Fürstbischof<br />

vertrauliche Rede führt, bedarf der Weihen von Heidelberg, der Höhen feingeistiger<br />

humanistischer Bildung, der Verbindungen und <strong>des</strong> Wohlstands der Helmstedter<br />

Grafen nicht länger, er gibt sich nur entspannt; als Doktor und Philosoph sitzt er<br />

gleichsam <strong>im</strong> Morgenmantel mit dem Herrn von altem Adel zusammen.<br />

<strong>Faust</strong>, ein Chamäleon, ein Hochstapler, wenngleich sehr geschickt und einfühlsam?<br />

<strong>Faust</strong> war sicher auch ein geschickter Selbstverkäufer. Doch das Gehe<strong>im</strong>nis, die<br />

Wirkung seiner Person, mit dem Begriff „Hochstapler“ zu erklären, es greift zu kurz.<br />

<strong>Faust</strong> ist einzigartig, als Dr. <strong>Faust</strong>us ist er in die Weltgeschichte eingegangen.<br />

Die seltsame Kunst <strong>des</strong> Dr. <strong>Faust</strong>us! Leider wird sie weder in den Quellentexten noch<br />

in den Indizien beschrieben – was freilich andererseits recht aufschlussreich ist,<br />

keinerlei Aussagen bilden auch eine Aussage.<br />

Doch gemach, <strong>im</strong> Moment tritt <strong>Faust</strong> auf.<br />

Er hat stets die passenden Titel zur Hand, er führt seine Rede situationsgerecht, aber<br />

er tut entschieden noch mehr, er spielt mit der Situation. Er n<strong>im</strong>mt den gegenüber als<br />

Gegner an, er n<strong>im</strong>mt die gebotenen Karten auf und reizt sie bis zum L<strong>im</strong>it – so ein<br />

Kerker in der Nähe, bis an <strong>des</strong>sen Schwelle.<br />

Es lohnt sich seinen Auftritt in Rebdorf bei Ingolstadt zu betrachten.<br />

Eintragung <strong>des</strong> Rebdorfer Priors Kilian Leib in das Wettertagebuch, Juli 1528<br />

„Georgius <strong>Faust</strong>us helmstet, sagte am 5. Juni: wann Sonne und Jupiter <strong>im</strong> gleichen<br />

Grad eines Sternzeichen stehen, dann werden Propheten geboren (vielleicht wie<br />

seinesgleichen). Er versicherte, dass er Komtur oder Lehrer eines kleinen<br />

Ordenshauses der Johanniter an der Grenze Kärntens gelegen sei, namens<br />

Hallestein.“<br />

Die in Klammern gesetzte Einfügung „(vielleicht wie seinesgleichen)“ stammt aus der<br />

Feder <strong>des</strong> Priors.<br />

Der Eintrag <strong>im</strong> Wettertagebuch kam als letzter Quellentext <strong>im</strong> Jahr 1913 ans Licht,<br />

sechs der neun Quellentexte wurden in den Jahrzehnten hektischer Suche nach<br />

<strong>Faust</strong>-Beweisen zwischen 1880 und 1890 entdeckt. Der Trithemius-Brief war seit 1535<br />

bekannt, der „Index Sanitatis“ wurde 1539 gedruckt.<br />

„Rebdorf“, „Prior“ und ein „Wettertagebuch“, sie lassen nichts Besonderes vermuten.<br />

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