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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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stellungen seine Mitmenschen bewegten. Dann war er selbst vermutlich nicht nur bar<br />

aller Illusionen, sondern auch frei von allen Verrückheiten seiner Zeit, er könnte ein<br />

aufgeklärter, vollkommen nüchterner Mensch gewesen sein.<br />

Nicht anders als Mrs. Kelly, auch <strong>Faust</strong> – kluger weise, möchte man fast sagen – hat<br />

nicht verraten, dass er Gedanken empfangen kann, er bezeichnet es weiträumig als<br />

Wahrsagerei; freilich nicht allein mit Hilfe der Handlinien. <strong>Faust</strong> erklärt sich zuständig<br />

für alle Sparten der Zukunftsschau: Aeromantie, Pyromantie, Hydromantie,<br />

„Nigramancei, Visionomei, Visiones <strong>im</strong>m Christal, vnd dergleichen mer künst.“<br />

Sattelfest wie er ist, braucht er sich nicht engherzig bescheiden, er „berümpt sich<br />

höchlich. Vnd auch nit alleyn berümpt, sondern sich auch eynen berümpten vnd<br />

erfarnen meyster bekant vnnd geschrieben.“<br />

Im ersten Moment ist man geneigt, <strong>Faust</strong>s Behauptung auf allen der damals gängigen<br />

Felder der Wahrsagekunst beschlagen zu sein, als großspurige Eigenwerbung anzusehen.<br />

Für den Menschen der Gegenwart disqualifiziert sich <strong>Faust</strong> damit selbst, er ist<br />

in höchstem Maße unseriös. Doch auch damals war <strong>Faust</strong>s allumfassende<br />

Visitenkarte bereits anrüchig genug, es gab genügend „verloffene Betrüger“, die den<br />

Leuten mit einem Stück Glas vor dem Gesicht herum spielten und behaupteten, sie<br />

könnten darin „sehen“.<br />

Nun kann man darüber streiten, war <strong>Faust</strong> einfach nur dreist, indem er dem<br />

Anrüchigen weitere Unseriösitäten aufsattelte, oder war er mit seinen telepathischen<br />

Fähigkeiten tatsächlich derart bevorteilt, dass er sich aller Bereiche rühmen durfte,<br />

ohne Gefahr zu laufen, dass er darüber zum Spott wurde.<br />

Neben anderem ist seine Behauptung, alle Mittel der Zukunftsschau zu beherrschen,<br />

ein Hinweis, dass <strong>Faust</strong> tatsächlich über eine ausgeprägte mediale Fähigkeit verfügte;<br />

allein den Mund recht vollzunehmen, es hätte nicht für vierzig Jahre gereicht.<br />

Gerard Croiset stellte seine „Gabe“ der Polizei zur Verfügung, Mrs. Kelly hingegen<br />

beschränkte sich anscheinend darauf, jene zu schädigen, die an den Humbug einer<br />

Verbindung nach „Drüben“ glaubten. Über <strong>Faust</strong> berichtet Manlius: „Dann er war<br />

sonsten gar ein vnuerschämbter Vnflat / vnnd fürete gar uberauß ein bübisch leben.“<br />

<strong>Faust</strong> nutzte also seine „Gabe“, um ein Leben als Schmarotzer zu führen.<br />

Auch wenn es niemals einen Beweis dafür geben wird, dass <strong>Faust</strong> ein Telepath<br />

gewesen war, die unterstellte „Fähigkeit“ erklärt <strong>Faust</strong>s Erfolge einmal als Astrologe.<br />

Er, der nicht nur viele wichtige Personen kannte, sondern auch deren gehe<strong>im</strong>ste<br />

Gedanken, hatte wenig Mühe die Neigung der Sterne für ein geplantes Vorhaben<br />

„richtig zu deuten“ und bei der Erörterung der Prognostikation ein ganz auf die Person<br />

<strong>des</strong> Kunden zugeschnittenes Beratungsgespräch zu führen.<br />

Auch sein Erfolg als Betrüger wird nachvollziehbar. Es mochte jemand noch so<br />

gerissen sein, gegen einen <strong>Faust</strong>, der Gedanken lesen konnte, war er nur der besagte<br />

Hase, der jeden Wettlauf gegen den Igel verliert.<br />

Ebenso wird erklärlich, wie <strong>Faust</strong> sich erdreisten konnte als Betrüger „vast durch alle<br />

landtschafft, Fürstenthuomb vnnd Königreich“ zu ziehen und „seinen namen jederman<br />

selbst bekannt“ zu machen. Und das wohlbemerkt in einer Zeit, da der einzelne über<br />

die so genannten „Ei<strong>des</strong>helfer“ rasch in die Mühlen der Justiz geriet.<br />

Nicht so sehr, weil <strong>Faust</strong> die Absicht seines Gegenübers lesen konnte, der Gegenüber<br />

kam vermutlich gar nicht auf den Gedanken, dass dieser Wahrsager ein landschädlicher<br />

Mann sei, er war vielmehr über <strong>Faust</strong> verblüfft.<br />

Die unterstellte Fähigkeit erklärt <strong>des</strong> weiteren warum <strong>Faust</strong> behaupten konnte, er wolle<br />

alle Philosophie wie ein zweiter Hebräer Esra durch sein Genie sämtlich und<br />

vorzüglicher als vorher wieder herstellen, und dass er in der Alchemie von allen, die je<br />

gewesen, der Vollkommenste sei. Falls <strong>Faust</strong> tatsächlich Gedanken abgreifen konnte,<br />

dann hatte er über Kontakte mit Gebildeten und Alchemisten einen Zugriff auf deren<br />

Gedanken und damit auf Teile ihres angelesenen Wissens in der Philosophie, bzw. auf<br />

deren Überlegungen und Exper<strong>im</strong>ente in der Alchemie.<br />

<strong>Faust</strong> wäre nicht <strong>Faust</strong>, abgesehen davon, dass seine Epoche die Übertreibung liebte,<br />

besagte Philosophie – es versteht sich von selbst – ist natürlich völlig „aus der<br />

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