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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Melanchthon will gezielt publizistisch in das Tagesgeschehen eingreifen, er ist dabei<br />

auch Propagandist. Er erfährt, dass in den habsburger Niederlanden Protestanten<br />

verbrannt wurden, schon fertigt er eine Flugschrift darüber an.<br />

Das alles ginge hin, wenn er es mit dem Veröffentlichen nicht gar so eilig hätte. Noch<br />

sind die Texte unreif, mit heißer Feder geschrieben, schon werden sie gedruckt. Hinzu<br />

kommt, dass durch das Ungeschick der Drucker die Texte auch verderbt werden, was<br />

nicht weniger bedeutet, als dass Melanchthon und auch sonst niemand die<br />

Korrekturfahnen liest. Es fehle seinen Schriften der Tiefgang, kritisiert ihn Erasmus von<br />

Rotterdam; bei einem derartigen Stress, wie ihn Melanchthon lebt, ist das nicht<br />

verwunderlich. Was das Edieren angeht, Melanchthon lernt mit den Jahren nichts<br />

hinzu, der Druck unfertiger Schriften ist ein bleibender Zustand. Was bei einer<br />

Flugschrift nicht sonderlich bedeutsam ist, bei der Neuauflage einer überarbeiteten<br />

Fassung der „Loci Communes“, neben der „Confessio Augustana“ und der „Apologie“,<br />

eine der Grundlagen <strong>des</strong> Protestantismus, ist es verheerend. Kaum ist die Auflage von<br />

3000 Exemplaren verkauft, schon fällt ihm auf, dass er etwas umformulieren muss,<br />

oder dass es einen zusätzlichen Abschnitt braucht. Später, <strong>im</strong> letzten Jahrzehnt seines<br />

Lebens wird man ihn dahingehend attackieren, dass er die „Loci“ inhaltlich veränderte.<br />

Hat er oder hat er nicht? Die Frage wird durch „MBW“ nicht beantwortet, doch muss er<br />

gemäß „MBW“ seine „Loci“ gewiss ein halbes dutzend Mal überarbeitet haben.<br />

Herzog Albrecht von Preußen schreibt am 19. Nov. 1554 an Melanchthon: … er habe<br />

sich <strong>im</strong>mer väterlich um die Religion bemüht … während der Inter<strong>im</strong>szeit Asyl gewährt,<br />

doch habe er jetzt bei den größtenteils ungelehrten und zänkischen Pfarrern nichts<br />

ausgerichtet.<br />

Zumin<strong>des</strong>t die letzte Aussage darf man unbesehen glauben. Von Anbeginn waren die<br />

Protestanten zerstritten, ein Zustand, der bis zum Tode Luthers <strong>im</strong> Jahr 1546, bis zum<br />

Beginn <strong>des</strong> schmalkaldischen Kriegs <strong>im</strong> Jahr 1546, auch offen zu Tage lag, doch<br />

abgesehen von Schwärmern und Wiedertäufern, angesichts kaiserlicher Bedrohung,<br />

sich relativ maßvoll äußerte. Als allerdings ab dem Jahr 1550 deutlich wird, dass die<br />

Durchsetzung <strong>des</strong> Inter<strong>im</strong> sich höchst unterschiedlich präsentiert, beginnen die<br />

Protestanten mit geradezu inquisitorischem Zorn gegeneinander zu wüten. Die<br />

Protestantin Anne du Bourg wird in Paris verbrannt, und Protestanten sprechen von ihr<br />

als Märtyrerin <strong>des</strong> Teufels. Nicht wesentlich anders Melanchthons Kommentar, dass<br />

nicht alle, die da starben, <strong>im</strong> rechten Glauben gestorben sind. Und merkwürdiger Weise<br />

sind es Protestanten, die in Schlesien einem protestantischen Pastor die Finger<br />

abhacken, er hatte die Elevation, das Zeigen der Hostie bei der Wandlung nach<br />

katholischem Ritus, verweigert. Jedenfalls ein weiteres Beispiel für die Zerrissenheit<br />

der Protestanten, denn Luther hatte die Elevation an sich verworfen, weil, so seine<br />

Begründung, das Volk glaube, das Betrachten der Hostie sei bereits ein gutes Werk.<br />

Im Januar 1557 führt der Rat von Iglau Beschwerde: Albert Cruciger toleriert nicht die<br />

Messe. Er polemisiert gegen Papst, Kardinäle, Bischöfe und gegen König Ferdinand,<br />

was eine Verwarnung <strong>des</strong> Amtmanns zur Folge hatte. Ermahnungen blieben erfolglos,<br />

vielmehr stiftete er den Schulmeister und <strong>des</strong>sen Kollegen an, den Gesang zu<br />

verweigern. Als diese verhaftet wurden, besuchte er sie. Auf dem Ratshaus bedrohte er<br />

den Ratsältesten.<br />

Hintergrund dieses Vorgangs war ein Entgegenkommen Iglaus bei der Umsetzung <strong>des</strong><br />

Augsburger Inter<strong>im</strong>, wobei jener von Melanchthon empfohlene Cruciger allerdings ein<br />

beinharter Lutheraner war. Dementsprechend deutlich weist Melanchthon dann die<br />

Stadtväter von Iglau in seinem Antwortschreiben auch zurecht.<br />

Im Dezember 1557 wird Melanchthon durch den Rat von Rostock informiert:<br />

Peter Egger<strong>des</strong> und Tilemann Heshusen (ein Schüler Melanchthons) wurden wegen<br />

Streitsucht ausgewiesen, die Vorwürfe lauten: maßlose Angriffe gegen die Obrigkeit,<br />

Leidenschaftlichkeit, Verhetzung <strong>des</strong> Volkes, namentliche Verurteilungen von der<br />

Kanzel herunter, Verweigerung von Begräbnissen, Verbot von sonntäglichen<br />

Hochzeiten und Taufen, Einführung <strong>des</strong> Bannes, Gründung einer Gegenuniversität zur<br />

Universität Rostock, Aufhetzung der Herzöge Albrecht und Ulrich von Mecklenburg,<br />

Toben auf der Kanzel.<br />

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