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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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in Bedrängnis kam, Franz von Sickingen – vermutlich von Ulrich von Hutten dazu<br />

angestiftet, konnte sich billigst erdreisten, sich mit dem Nachlauf <strong>des</strong> Reuchlin-Streits<br />

zu profilieren. Er erklärte den Inquisitoren <strong>im</strong> Juli 1519 die Fehde. Im Fehdebrief heißt<br />

es: „An Provinzial, Prioren und Konvente <strong>des</strong> Predigerordens deutscher Nation,<br />

sonderlich an den Bruder Jacobus Hoogstraeten, … den hochgelehrten Doktor<br />

(Reuchlin) in Ruhe zu lassen, die Prozesskosten zu bezahlen“, andernfalls werde er<br />

mit seinen Freunden gegen die ganze Ordensprovinz (Köln) und deren Anhang<br />

vorgehen.<br />

Worauf die mächtigen Dominikaner tatsächlich mit Franz von Sickingen in<br />

Verhandlung traten. Der freche wie erfolgreiche Fehdebrief könnte auch die geistige<br />

Ke<strong>im</strong>zelle der so genannten Sickingischen Fehde gegen den Trierer Erzbischof und<br />

Kurfürst gewesen sein.<br />

Die „Dunkelmännerbriefe“ und das Echo, das sie auslösten, waren ein Lehrstück,<br />

Luther muss es wohl genau studiert haben.<br />

Jenes Gemälde, das Luther be<strong>im</strong> Thesenanschlag zu Wittenberg <strong>im</strong> Oktoberschnee,<br />

den Hammer in der Hand, in Mönchskutte und Sandalen zeigt, erzählt ein Märlein.<br />

Die Präsentation seiner Thesen – unzweifelhaft eine ernsthafte Diskussionsmasse,<br />

aber auch gleichsam augenzwinkernd an Freunde verschickt – waren Briefbomben,<br />

die unter den Händen von Setzern und Druckern ein Feuerwerk zündeten. Verquickt<br />

mit den finanziellen Interessen seines Fürsten, dem das neuerliche päpstliche<br />

Ablassgeschäft nun gar nicht gefiel, war der Thesenanschlag ein meisterlich<br />

ausgeführter Anschlag auf das Papsttum.<br />

Der Reuchlin-Streit muss die Kirche verunsichert haben, wovon Luther wiederum<br />

profitierte. Selbstredend nicht allein davon, seine Thesen haben das Empfinden <strong>des</strong><br />

Volkes getroffen, sein Kurfürst steht unerschütterlich hinter ihm, nicht zu vergessen die<br />

aufgeheizte St<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> Vorfeld <strong>des</strong> Bauernkrieges. Die päpstliche Antwort auf<br />

Luthers Thesen, die Bannbulle „Exsurge Domine“, kommt als Fälschung daher, zum<br />

einen ist sie nicht unterschrieben und wo eine Bannbulle in der Regel eine Hanfschnur<br />

als Siegelschnur trägt, „Exsurge Domine“ trägt eine bunte Kordel. Rom war also auch<br />

bereit den Streit mit Luther schlicht zu vergessen. Als Kaiser Max<strong>im</strong>ilian stirbt und die<br />

anstehende Kaiserwahl aller Augenmerk auf sich zieht, wobei Rom Luthers<br />

Lan<strong>des</strong>herrn als Kaiser favorisierte, vergisst der Papst den „Wittenberger Mönch“<br />

tatsächlich – für volle zwei Jahre.<br />

*<br />

Kein vortrefflicher Regent<br />

„Item X (zehn) Gulden geben vnd geschenckt Doctor <strong>Faust</strong>us ph(ilosoph)o zuvererung<br />

hat m(einem) g(nedigen) herren ein nativitet (Horoskop nach Geburtsstunde) oder<br />

Indicium (Weissagung) gemacht, zalt am Sontag nach stolastice Jussit<br />

R(everendissi)mus.“ So lautet der dürre Eintrag auf der Ausgabenseite unter „Pro<br />

diuerses“ in „Hansen Mullers Kammermeysters Jahrrechnung von walburgis<br />

fonffzehenhundert vnd <strong>im</strong> Neunzehetten biss widerumb auff walburgis<br />

fonffzehenhundert vnd <strong>im</strong> zweintzigsten Jarn“.<br />

Buchführungsunterlagen sind eine trockene Sache, wenngleich eine spannende Angelegenheit,<br />

man muss sie zum Sprechen bringen.<br />

Das Fest der heiligen Scholastika wurde 1520 am Freitag, dem 10. Februar gefeiert,<br />

der darauf folgende Sonntag war der 12. Februar 1520 gewesen.<br />

An diesem Tag hat der Kammermeister Hansen Müller einen Betrag von zehn Gulden<br />

an <strong>Faust</strong> bezahlt. Die Auszahlung erfolgte auf Allerhöchste Weisung („Jussit<br />

R(everendissi)mus), das bedeutet, der Fürstbischof Georg III. von Bamberg hatte sie<br />

persönlich angeordnet. Anlass <strong>des</strong> Zahlungsvorgangs war ein Horoskop nach Geburtsstunde<br />

oder eine schriftliche Weissagung, das <strong>Faust</strong> dem „g(nedigen) herren“<br />

Fürstbischof verehrt hatte.<br />

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