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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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weil Trithemius unter Beschuss stand, er hätte keinen schl<strong>im</strong>meren Fehler machen<br />

können, als reißerische Lügen über <strong>Faust</strong> zu verbreiten. Für ein derart durchsichtiges<br />

Manöver waren seine Zeitgenossen nicht dumm genug.<br />

Im Vorfeld der Entschlüsselung<br />

Quer durch die <strong>Faust</strong>forschung haben sich alle Autoren mit der Widersprüchlichkeit <strong>des</strong><br />

Trithemius-Briefes gequält: Von Trithemius als unwissend in allen guten Wissenschaften<br />

bezeichnet, wird <strong>Faust</strong> dringlichst vom damals angesehensten Astronomen<br />

erwartet – so der gleichsam aufaddierte Widerspruch, der schlicht nicht zu lösen war.<br />

Der Brief, in herkömmlicher Weise gelesen und verstanden, verstellte nicht nur den<br />

Blick auf <strong>Faust</strong>, bei den Überlegungen zum Motiv <strong>des</strong> Verfassers, provozierte er<br />

geradezu das Undenkbare für denkbar zu halten.<br />

Neben der Annahme, Trithemius wollte sich reinwaschen – was Trithemius selbst<br />

offenbar gar nicht vorhatte, er bezeichnet <strong>Faust</strong> nicht als Schwarzmagier, hielt man es<br />

für möglich, dass Trithemius vermutete, <strong>Faust</strong> hätte sich Zugang zu gehe<strong>im</strong>em Wissen<br />

verschafft, zu jenem Wissen, das der Abt selbst so gern besessen hätte. Als dann auch<br />

noch der angesehene Virdung so dringlich mit <strong>Faust</strong> sprechen will, muss dem Abt die<br />

Galle übergekocht sein; von wildem Neid gepackt, verfasste er einen Brief voll der<br />

Lügen und Ehrabschneidungen.<br />

Dergleichen ist freilich nicht auszuschließen, doch was Trithemius vermutete, ist nicht<br />

weniger gehe<strong>im</strong> wie das gehe<strong>im</strong>e Wissen <strong>des</strong> Doktor <strong>Faust</strong>us, auf das sich in keinem<br />

der Quellentexte ein Hinweis findet.<br />

Trithemius, der Mann mit Karriereknick, der wohl dem jungen, doch scheinbar bereits<br />

recht erfolgreichen <strong>Faust</strong>, bei <strong>des</strong>sen Weg zu Johannes Virdung in der kurfürstlichen<br />

Residenz zu Heidelberg einen Knüppel zwischen die Beine werfen wollte.<br />

Trithemius war eitel, ruhmsüchtig, wichtigtuerisch, und vielleicht war er obendrein auch<br />

noch gehässig, doch wohl intelligent genug, um zu wissen, dass er den Mathematiker<br />

und angesehenen Astronomen mit einem wilden Ausfall böser Worte gewiss nicht<br />

gegen <strong>Faust</strong> einnehmen konnte. Gemäß dem Brief, saß <strong>Faust</strong> wenige Tage später<br />

Virdung gegenüber und der ließ es sich wohl kaum nehmen, sich selbst ein Urteil über<br />

<strong>Faust</strong> zu bilden. Über den Knick selbst lässt sich streiten. Abt Trithemius genoss zwar<br />

nicht mehr das Ansehen der Sponhe<strong>im</strong>er Bibliothek, doch zur selben Zeit als er diesen<br />

Brief verfasste, schrieb er an neuen Büchern, auch wurde er nicht wenig hofiert und<br />

gefordert.<br />

„Trithemius hat Bücher gefälscht, er hatte auch keine Mühe diesen Lügenbrief zu<br />

verfassen!“ Abgesehen davon, dass man auch denunzieren kann, ohne die Inhalte von<br />

Büchern zu fälschen, es ist zu beachten, was Trithemius fälschte. Einige Heiligen- und<br />

Wunderlegenden; sie beflügelten den Glauben <strong>des</strong> Volkes, waren also lässliche, wenn<br />

nicht gar wünschenswerte Fälschungen. Sodann die Anfänge der Chronik <strong>des</strong> Kloster<br />

Sponhe<strong>im</strong> von 1024-1509, die Genealogie der ausgestorbenen Grafen von Spanhe<strong>im</strong><br />

sowie die „Hirsauer Annalen“. Aus diesen Fälschungen erwuchsen keine Rechtsstreitigkeiten,<br />

sie befriedigten seine Eitelkeit als Autor, wenn auch nur vorübergehend.<br />

Die meisten Fälschungen werden noch zu seinen Lebzeiten entdeckt, und sie haben<br />

ihm erneut geschadet: Waren mit dem Verlust der Sponhe<strong>im</strong>er Biblothek als erstes<br />

ehrenvolle Kontakte weggeschlafen, der Verdacht, dass er sich schwarzmagisch<br />

betätige, hatte ihn erneut freundschaftliche Kontakte gekostet, und seine<br />

„schriftstellerischen Freiheiten“ erboste weitere alte Freunde. Sie sprachen von<br />

„Possen“, von „mönchischer Überheblichkeit“. Sein alter Lehrer Conrad Celtis erzürnte<br />

sich über die „Hirsauer Annalen“, als „zusammengelogene Geschichte der alten<br />

Franken“.<br />

Aus diesen Fälschungen nun auch einen lügnerischen Visitator abzuleiten, trägt nicht,<br />

das eine bedeutet nicht zwingend das andere.<br />

Im Generalkapitel der Benediktiner wusste man offensichtlich ohne Mühe zwischen<br />

dem Autor und dem Visitator zu unterscheiden. Geschmunzelt hat man vermutlich<br />

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