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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Dampf quillt. Man berichtet ihm, dass ein Heuschreckenschwarm den Troß König<br />

Ferdinands, Bruder <strong>des</strong> Kaisers, überfiel.<br />

So wir den Menschen jener Zeit erklärten, dass sich selbst die „Nebensonnen“<br />

physikalisch erklären, dass es sich um eine Haloerscheinung handelt, für die es<br />

hexagonale Eiskristalle in der Luft braucht und einen Sonnenstand von weniger als 22°<br />

über dem Horizont, die Menschen wären verblüfft – aber nur über die verbohrte<br />

Engstirnigkeit <strong>des</strong> modernen Menschen.<br />

Denn die Erklärung änderte doch nichts daran, dass es sich um ein bemerkenswertes<br />

Ereignis handelte. Und entscheidend ist doch, dass diese Erscheinung gerade jetzt,<br />

und nicht früher oder später passierte; weiß doch selbst ein Kind, dass je<strong>des</strong> dieser<br />

seltsamen Ereignisse ein Fingerzeig oder gar eine Warnung ist.<br />

Melanchthon war es zugedacht, je<strong>des</strong> dieser Ereignisse wie ein Seher zu deuten.<br />

Gemäß „MBW“ war für ihn das Ausdeuten etwas Selbstverständliches, und wie es<br />

scheint, verstand er einiges von der Sache. Melanchthon war offenbar medial belastet,<br />

er selbst hatte häufig Wahr- und Warnträume, auch schrieb er Channelgedichte.<br />

Dass Melanchthon neben anderen Astrologen auch bei seinem Freund Camerarius<br />

nach dem „Sieg <strong>des</strong> Kaisers“ fragt – „Melanchthons Briefwechsel“ lässt keine andere<br />

Aussage zu, ist von einer derartigen Selbstverständlichkeit, es wäre vielmehr höchst<br />

unverständlich, so er nicht angefragt hätte.<br />

Melanchthons Brief mit der Frage „Siegt der Kaiser?“ <strong>im</strong> Vorfeld <strong>des</strong> „Tuus <strong>Faust</strong>us-<br />

Briefes“ wurde vermutlich <strong>des</strong>halb entsorgt, da man nicht allein den übrigen Aussagen<br />

<strong>des</strong> „Tuus <strong>Faust</strong>us-Briefes“ den Vorrang gab, Melanchthons Anfrage neben dem „Tuus<br />

<strong>Faust</strong>us-Brief“ zu belassen, es hätte offenbart, dass Camerarius seinen Freund<br />

Melanchthon mit Horoskopen, sprich Lageeinschätzungen, aus <strong>Faust</strong>s Feder bedient<br />

hatte.<br />

Und zwar wiederholt – wie die Betrachtung <strong>des</strong> „Tuus <strong>Faust</strong>us-Briefes“ zeigen wird.<br />

Der Weltwitz ist perfekt: Die astrologisch verbrämten Erkenntnisse <strong>des</strong> „Scheißhaus<br />

vieler Teufel“ flossen mit den Briefen <strong>des</strong> Camerarius über das Pult <strong>des</strong> hochgelehrten<br />

Philippus in <strong>des</strong>sen Positionspapiere und weiter auf den Tisch <strong>des</strong> Schmalkaldischen<br />

Bun<strong>des</strong>.<br />

<strong>Faust</strong> – wie auch anders, <strong>im</strong> Auge <strong>des</strong> Zeitorkans! Not- und Geburtshelfer <strong>des</strong><br />

Protestantismus oder gar hinterhältiger Hemmschuh?<br />

Die Frage, ob Camerarius die Prognosen selbst unterschrieb oder unter „<strong>Faust</strong>“ nach<br />

Wittenberg reichte, ist dabei nahezu unwichtig. Angesichts <strong>des</strong> unbeschwerten<br />

Briefverkehrs darf man annehmen, Melanchthon wusste von der Nähe <strong>Faust</strong>s zu<br />

Camerarius.<br />

Es existiert ein Brief Melanchthons vom 9. März 1536, in welchem er schreibt, dass er<br />

sich über die von Camerarius erwähnten Schriften und Angelegenheiten eines<br />

gemeinsamen Freun<strong>des</strong> bei seinem Besuch in Tübingen äußern will.<br />

Handelte es sich bei diesem namenlosen „Freund“ etwa um <strong>Faust</strong>?<br />

Auszuschließen ist es nicht, denn <strong>Faust</strong> war nun wirklich keine Person, die ein Philipp<br />

Melanchthon offiziell näher kennen durfte, vier Jahre zuvor hatte das protestantische<br />

Nürnberg „Doctor <strong>Faust</strong>o, dem grossen Sodomitten und Nigromantico“ die Stadttore<br />

vor der Nase zugeknallt.<br />

Wie es auch <strong>im</strong>mer sich verhielt, <strong>Faust</strong>s astrologische Überlegungen haben zumin<strong>des</strong>t<br />

ihren Niederschlag in den Briefen <strong>des</strong> Camerarius an Melanchthon gefunden.<br />

Es stellt sich allerdings die Frage, ob Melanchthon nicht bei Stibar direkt angefragt<br />

hatte; Stibar und Melanchthon hatten sich 1526 in Wittenberg kennen gelernt.<br />

Die Frage beantwortet ein Brief Melanchthons an Stibar vom 29. Sept. 1536,<br />

geschrieben in Tübingen: Melanchthon bedankt sich darin für Stibars Brief, er freut<br />

sich, dass Stibar die alte Freundschaft wieder aufleben ließ, er hofft dass die<br />

Freundschaft der Gemäßigten dem Gemeinwohl und der Kirche diene, … Empfehlung<br />

an Moritz von Hutten und Glückwunsch zu <strong>des</strong>sen Amtsantritt als Würzburger<br />

Dompropst.<br />

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