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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Die Lutheraner werfen bald 40 000 Gemälde auf den Müll, entsorgen zigtausende von<br />

Büchern und meißeln die Heiligen von den Kirchenwänden. Die Katholische Kirche hat<br />

weniger Mühe, sie hat in fataler Fehleinschätzung auch gerade halb Deutschland an<br />

Luther verzockt, sie sortiert Reliquien aus: Die Borsten <strong>des</strong> Esels, der einst Maria mit<br />

dem Kindlein nach Ägypten trug, die Scherbe von Jesu Kindertellerchen, das<br />

Tränenkrüglein Maria Magdalenas …<br />

Wer es nicht weiß, Reliquien sind profane Hinterlassenschaften von unwiederbringlich<br />

Vergangenem, als mystisch aufgeladene Platzhalter st<strong>im</strong>ulieren sie menschliches<br />

Wohlbefinden.<br />

Die Reliquienverkäufer, Stationierer genannt, werden jedenfalls brotlos, stark rückläufig<br />

sind auch die Einnahmen für „Visiones <strong>im</strong>m Christal“, ebenso erfahren Theriakskrämer<br />

und Wanderärzte eine Abstufung ihres Ansehens.<br />

<strong>Faust</strong>, der alt gewordene Weitgereiste wird gewusst haben, was zu tun war. Er hat<br />

umdisponiert. Die fetzigen Reklamesprüche wurden abgehängt, das Sort<strong>im</strong>ent auf die<br />

neue Rationalität zugeschnitten; auf den Koffer kam ein ordentliches Messingschild:<br />

„Arzt und Astrologe“.<br />

Vermutlich reiste er auch weniger, er reiste nicht mehr excessiv, dafür eher intensiv in<br />

einem engeren Wirkungskreis; als Arzt reduzierte er sich vielleicht zu dem, was später<br />

ein „regionaler Medicaster“ genannt werden wird.<br />

Laut der Z<strong>im</strong>merischen Chronik ist <strong>Faust</strong> „zu (!) oder doch nit weit (!) von Staufen, dem<br />

stettlin <strong>im</strong> Breisgew, gestorben.“ Die Ortsangabe wird am Schluss <strong>des</strong> Textes<br />

wiederholt: „Derselbig ist … letzstlich in der herrschaft Staufen <strong>im</strong> Preisgew in großem<br />

alter vom bösen gaist umbgebracht worden…“<br />

Die Absicht der Chronik ist Chronik zu sein, sie wurde geschrieben für den<br />

Hausgebrauch, um festzuhalten, um den Nachfahren berichtenswertes mitzuteilen.<br />

jedoch keineswegs um sie zu drucken und damit in die Öffentlichkeit zu treten.<br />

Diese Bescheidenheit der Autoren erklärt, warum die Chronik solange unbekannt blieb.<br />

Goethe hatte von ihr keine Kenntnis, sie schlummerte beinahe 300 Jahre in der<br />

Bibliothek der Grafen von Z<strong>im</strong>mern. Dort wurde sie von Ludwig Uhland entdeckt, <strong>im</strong><br />

Jahr 1869 gedruckt und so der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das Original<br />

befindet sich heute in der Bibliothek der Fürsten von Fürstenberg in Donaueschingen.<br />

Die Chronik hat den Charme der Unschuld, wobei die Religiosität, die in den Zeilen<br />

spürbar ist, sicherlich ihren Teil dazu beiträgt.<br />

Die Z<strong>im</strong>merische Chronik wurde von 1564 bis1566 niedergeschrieben. Die Verfasser<br />

sind Graf Froben Christian von Z<strong>im</strong>mern und sein Sekretär Johannes Müller.<br />

Graf Wilhelm Werner von Z<strong>im</strong>mern, Jurist und selbst ein erfahrener Chronist, damals<br />

bereits in hohen Jahren, stand den Autoren als Ratgeber sowie als Zeitzeuge<br />

vergangener Jahrzehnte zur Seite.<br />

Die Z<strong>im</strong>mersche Chronik ist in der Landschaft – man darf sagen: verwurzelt.<br />

Über die Matrikelbücher der Universität Freiburg lässt sich das Netzwerk jener<br />

erschließen, die sich vom Studium her kannten, aber auch die Vernetzung all jener<br />

erahnen, die ganz gleich, ob sie sich bis dato kennengelernt hatten oder auch nicht,<br />

quer durch die Lande umstandslos sofort als „alte Freiburger“ einen herzlichen Umgang<br />

miteinander pflegten.<br />

Wilhelm Werner von Z<strong>im</strong>mern selbst <strong>im</strong>matrikulierte sich in Freiburg am 31.10.1504, er<br />

verließ Freiburg 1509. Sein Lebensweg führte ihn bald in alle Winkel zwischen Neckar<br />

und Rhein, er war Richter, Inspektor und Visitator, auch gehörte er einige Zeit dem<br />

Reichskammergericht an. Er war kein großer Jurist, er war ein löblicher Jurist. Er war<br />

ein Mensch, der herumgekommen war, der mit vielen Amtsträgern persönlich bekannt<br />

war, zuvorderst mit den „alten Freiburgern“, und mit Leuten aus dem Adel war er<br />

ohnehin per-du. Die Veränderungen in jenen Jahrzehnten erlebte er unmittelbar. Eine<br />

erstrebte Bistumspfründe erhält er nicht, es wird durch das Zusammenwirken<br />

bürgerlicher Gebildeter verhindert. In den übergeordneten Reichsgremien wird er<br />

Zeuge wie Protestanten und Katholiken sich in Unversöhnlichkeit anfeinden und sich<br />

gegenseitig bei der Arbeit blockieren. Wilhelm Werner von Z<strong>im</strong>mern stirbt 1575, sein<br />

Leben währte 90 Jahre und einen Tag. Soweit zum Leben und der Glaubwürdigkeit<br />

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